Von Villazón nach Puerto Quijarro


Einmal quer durch Bolivien

Am Grenzübergang La Quialca – Villázon stürzen wir uns in das Abenteuer Bolivien. Die Ausreise aus Argentinien geht in gewohnt routinierter Art und Weise vonstatten, wohingegen das bolivianische Prozedere für uns noch nicht ganz durchschaubar ist.
Erst einmal reisen wir ein. Pässe vorzeigen und Stempel rein. Soweit so gut. Dann zur Aduana, dem Zoll. Auf unsere Frage nach dem Zolldokument für unseren Wagen werden wir wieder zurück zu dem Pass-Beamten geschickt. Wir benötigen ein pasavantes für unser Auto; nur damit ist der Zöllner geneigt, uns das TIP auszustellen. Natürlich nach einer ausführlichen Hausführung; zolltechnische Fragen Fehlanzeige, interessiert am Auto und unserer Kabine war er halt.
Dann weiter zum Desinfizieren. Gegen eine kleine Gebühr (die liegt wohl im Ermessen des Beamten der Gesundheitsbehörde) wird unser Auto untenherum mit einer Flüssigkeit eingesprüht, die das Einschleppen von irgendwelchen Krankheiten vermeiden soll. Na dann… Bevor sich der letzte Schlagbaum vor bolivianischem Territorium hebt, wird noch eine Straßennutzungsgebühr für das Örtchen Villazón fällig.
Ok, jetzt es reicht es aber bitte. Wir haben unseren guten Willen zum Anschub der bolivianischen Wirtschaft gezeigt.

„Bienvenidos en Bolivia“

Puh, das war mal was Neues. Nach so viel Trubel zieht es uns förmlich aus dem engen Städtchen hinaus. Überall lauern Motorradfahrer, die sich wie wild gewordene Rennfahrer fühlen und sich, noch die kleinste Lücke im Verkehr suchend, vor unseren LKW schmeißen.
Wir wählen die Ruta 28 nach Osten und merken ziemlich schnell was in Bolivien eine Ruta Nacional ist: kurvenreich geht es durch eine wirklich enge Schlucht am Ortsrand und dann auf ripio hinauf zurück aufs Altiplano.
Zugegeben, der Zustand der Schotterstraße ist nicht so schlecht wie auf vielen Routen in z.B. Argentinien oder Chile. Wahrscheinlich wegen dem viel niedrigeren Verkehrsaufkommen.

Wie schon auf der Lagunenroute vor ein paar Tagen gefällt uns die Landschaft hier oben richtig gut. Kurz hinter der Siedlung Salitres schlagen wir uns in die (nicht vorhandenen) Büsche, d.h. ein paar Meter weg von dem Schotterweg auf ein ebenes Geröllfeld, mit einem tollen Blick in die Weite und werden – nachdem bei uns Ruhe eingekehrt ist – von Vicuñaherden umringt.
In dieser besonderen Stimmung schlafen wir wohlig eingekuschelt, während es draußen bitterkalt ist. PuCe braucht am nächsten Morgen ein paar Extra-Sekunden, um alle sechs Zylinder in dieser Höhe aus dem Kälteschlaf zu wecken; und so lassen wir den Motor vorsorglich etwas länger als sonst warmlaufen.

Die erste Etappe des heutigen Tages führt uns in luftigen Höhen auf dem Altiplano entlang, bevor es kurz vor Mittag hinunter Richtung Tarija, die südlichste Großstadt mit gut 250.000 Einwohnern im Andenstaat Bolivien, gehen soll.
Auf der Karte sieht alles ziemlich einfach und „gerade“ aus. In Wirklichkeit entpuppt sich der Abstieg als wilde Kletterpartie. Tendenziell zwar nach unten, aber immer wieder müssen wir steile Bergkämme erklimmen, um auf der anderen Seite in das Tal hinunterzukrabbeln, bevor es vor dem nächsten Gebirgszug erneut hinauf geht. Und in jedem Talgrund wartet jeweils eine Wasserdurchfahrt.
Bolivien wird östlich der mächtigen Anden von vielen Nord-Süd-Gebirgswellen durchzogen, die wir alle auf unserem Weg nach Osten überqueren müssen, bevor dann ganz im Osten des Landes das tief liegende Amazonasbecken auf uns wartet.
Manchmal mussten wir auf den engen Sträßchen abwarten, bis der vor uns fahrende Bergdörfer-Versorgungslaster die am Wegesrand aufgetürmten Kartoffelsäcke der Kleinbauern aufgeladen hat, um dann nur wenige Kilometer später für die gleiche Prozedur anzuhalten.
Bei besonders großen Kartoffelsackbergen haben wir einfach mal eine Kaffeepause eingelegt.

Es ging sehr, sehr langsam und mühsam voran. Für die am späten Nachmittag zurückgelegten fast 130 staubigen Kilometer haben wir immerhin acht (8!) Stunden gebraucht. Und so sahen wir auch aus. Da verwundert es nicht, dass wir bei Ankunft auf dem edlen Weingut Kohlberg kurz vor Tarija ob unseres Anblicks mit leicht gerümpfter Nase nur verhalten begrüßt wurden. „Habt ihr eine Reservierung für eine Führung und Weinprobe? Nein. Dann tut es uns leid, nur mit Reservierung. Aber ihr dürft gerne unser Bad benutzen.“
Das war klar und eindeutig. Nun gut, also in die Stadt zu dem Stellplatz La Cúpula. Nur leider gibt es ein kleines Problem. Das Einfahrtstor ist einfach zu schmal; wir passen nicht durch. Also bleiben wir vor der Einfahrt am Straßenrand stehen und hören schnell, warum diese Gegend als sehr sicher propagiert wird: buchstäblich direkt um die Ecke befindet sich der Campus der Polizeiakademie. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang werden die jungen Polizeianwärter auf dem Sportplatz gedrillt. Während unseres Aufenthaltes waren das meist Nahkampftechniken, die als Gruppe unter ständigen lauten Rufen „uno, dos, tres, HUH“ geübt wurden. Wir schlafen trotzdem, oder gerade deshalb, sehr entspannt und fest.

Am nächsten Morgen schnappen wir uns ein Taxi, lassen uns in das Stadtzentrum chauffieren und besuchen das bekannte paläontologische Museum. Im Erdgeschoss sind – fast schon zum Anfassen – viele fast vollständig erhaltene Dinosaurierskelette ausgestellt.
Die Gegend um das heutige Tarija war während des Jura reich an Lebewesen aller Arten und Größen, die heute immer wieder nur wenige Meter unter der Oberfläche bei z.B. Bauarbeiten zum Vorschein kommen.
Im ersten Stock des schönen Gebäudes im Kolonialstil sind die Abteilungen für die hier vor vielen Jahrhunderten lebenden indigenen Ureinwohner (inkl. Mumien in aufgeschnittenen Ton-Amphoren).
Überhaupt ist Tarija eine schöne, blitzsaubere Stadt, die uns bei Sonnenschein einlädt, ihre kleinen verwinkelten Gassen mit den kleinen Geschäften zu erkunden. Nach einem guten Kaffee auf dem zentralen Platz mit der angrenzenden Kathedrale, zwei neuen Handy-SIM-Karten für das bolivianische ENTEL-Mobilfunknetz, und die Taschen schwer mit frischem Obst und Gemüse beladen (und Bargeld aus dem Automaten – ohne Abhebegebühr) zieht es uns am frühen Nachmittag zurück zum Auto. Unser Plan: Diesel tanken.

In Bolivien herrscht derzeit Treibstoffknappheit. Wir haben so viele verschiedene Erklärungsversuche gehört, warum besonders Diesel im Land knapp ist, dass es an dieser Stelle unmöglich wäre, alle aufzuführen. Fakt ist jedoch, dass nur wenige Tankstellen sporadisch mit Diesel beliefert werden. Und wenn ein voller Tanker ankommt, bilden sich sofort lange Schlangen mit wartenden LKWs.
An einigen Tankstellen werden wir noch Schlangen von 40 LKWs und mehr sehen. Doch wir haben Glück…vielleicht weil Sonntag ist. An einer YPFB-Tankstelle erhalten wir den kostbaren Saft, zwar zum dreifachen, dem sog. internationalen Preis und nur gegen Bargeld (Sprit ist für die einheimischen Bolivianer hochsubventioniert), aber so sind die Regeln.
Auch sind einige Tankstellenbetreiber nicht Willens oder nicht autorisiert, Kraftstoff an Ausländer abzugeben. Es bleibt während unseres Aufenthaltes in Bolivien ein ständiges Vabanquespiel; oft werden wir abgewiesen mit den Worten „no hay Diesel“, es gibt keinen Diesel.

Aber jetzt raus der quirligen Stadt. Etwa 30km weiter, in der Nähe des Weilers Junacas, campieren wir abseits der Ruta 11 zwischen Bergen und Hügeln, holen die Stühle für ein entspannendes Sonnenbad raus und gehen nach Anbruch der mondlosen, tiefschwarzen Nacht unter einem gigantischen Sternenhimmel ins Bett.

Wenn wir heute nur schon wüssten, was uns morgen erwartet! Unser Ziel Villamontes, 180km weiter auf der Ruta Nacional 11, werden wir zwar erreichen, aber vor den Erfolg haben die Götter den Schweiß gesetzt. Und das im wörtlichen Sinn.
Bis etwa 50km vor unserem Tagesziel ist die Strecke zwar bergig, weil immer wieder z.T. wilde Gebirgszüge zu überfahren waren (siehe oben), aber auf größtenteils gutem Asphalt kein Problem. Dann: „fin de pavimiento“, Ende Asphalt. Willkommen zurück auf Staub.
Geschwindigkeit runter, Fenster zu.
Nicht gerechnet haben wir mit den letzten 12km, die als ruta scenica auf den Schildern am Wegesrand angepriesen werden, also als „landschaftlich schöne Strecke“ durch das enge Tal des Río Pilcomayo. Das war sie tatsächlich…aber…einspurig in den Fels gesprengt.
Auf der einen Seite senkrecht abstürzende Felswände hinunter zum Fluss und auf der anderen Seite senkrecht aufragende Felswände. Und größtenteils mit Überhang. Kaum breiter als unser PuCe.
Alle paar hundert Meter eine kleine Ausbuchtung, um Gegenverkehr vorbeilassen zu können. Wer hier nach welchen Regeln ggf. rückwärts zu solch einer Bucht fahren muss, haben wir nicht herausgefunden. Wir glauben, dass der bergabfahrende Verkehr (also wir) Vorfahrt hat.
Mit Glück sind wir ohne Gegenverkehr durch die schlimmsten Passagen gekommen. Patricia hatte die schockstarren Augen entweder geradeaus oder auf die Felsüberhänge gerichtet, die unseren hohen Kabinenaufbau bedroht haben, die Hände fest an die Haltegriffe geklammert und Christian ständig den Blick durch das offene Seitenfenster nach unten auf das linke Vorderrad, das manchmal mehr als knapp am steilen Abgrund vorbeischrammte.
Vor uneinsehbaren Kurven haben wir laut gehupt, in der Hoffnung, das wir damit eventuellem Gegenverkehr Eindruck machen und zum Umkehren zwingen.
Alles ging gut. Heute lachen wir darüber. Vor allen Dingen über eine Textpassage aus einem Bolivien-Reiseführer, die wir ein paar Tage später von Reisefreunden vorgelegt bekommen werden:
„Auf den 12km meist weit oberhalb des Flussbettes verläuft die sehr schmale, ungesicherte Erdstraße an teils überhängenden Felswänden entlang. Je nach Verkehr braucht man für diese 12km zwischen 45 Minuten und einer Stunde. Die Strecke ist bedingt durch den LKW-Verkehr weitaus gefährlicher als die „touristisch bekanntere“ Todesstraße bei Coroico, die Ruta de la Muerte, auf der im Durchschnitt pro Monat zwei bis drei Autos und deren Insassen tödlich verunglücken“.

Schweigend, weil immer noch in Gedanken bei unserer „Todesstraße“, erreichen wir den Campingplatz des Thermalhotels Hoterma am Ortseingang von Villamontes. Der Baum mit seinen tiefhängenden Ästen, der die Einfahrt für uns unmöglich macht, wird von der Hotelgärtnerin kurzerhand mit einem Hochentaster, einer kleinen Kettensäge an einem langen Stiel, zurechtgestutzt (O-Ton: das war schon lange mal überfällig). Und so kommen wir doch noch zu unserem dringend nötigen Ankommerbier auf der grünen Wiese am Fluss. Bei einem ist es dann nicht geblieben. Es hat gedauert, bis sich das Adrenalin im Blut vom Hopfen verdrängen ließ…

Komplett k.o. fallen wir in dem plötzlich warmen und feuchter werdenden Klima ins Bett. Immerhin sind wir nurmehr auf knapp 400m Höhe. Die anstrengende Höhenluft haben PuCe und wir hinter uns. Von jetzt an bewegen wir uns in tieferen Gefilden am Rande des Amazonasbecken. Um uns herum sprießt schon eine üppig grüne Vegetation.

Ganz überrascht stellen wir am nächsten Morgen fest, dass im Übernachtungspreis auch ein Frühstück inbegriffen ist. Und so genießen wir frischen Kaffee, Fruchtsalat, Toast und Käseempanadas mit Blick auf den in der Trockenzeit träge dahinplätschernden Río Pilcomayo.
Die folgenden zwei Tage verbringen wir mit „Straße verdauen“, Putzen (die Pisten haben überall Staubspuren hinterlassen), Relaxen und Thermalbaden. Auf der anderen Flußseite entspringen heiße Quellen mit stark schwefelhaltigen Solewasser, in das wir einmal pro Tag in einer eigens für uns vorbereiteten, frisch gefüllten Badewanne steigen und die heilenden Kräfte wirken lassen.
Wir machen Bekanntschaft mit diversen Anglern, die von ihren Fangausflügen mit Tüten voll Fisch zurückkehren, einer bolivianischen Familie, die den Geburtstag ihrer Tochter am Campingplatz feiert und den Stechmücken, die hier in diesem Klima prächtig gedeihen.
Ab jetzt heißt es, diszipliniert Mückenschutz auftragen. Das war in den vergangenen Wochen in den kühlen Höhenlagen kein Thema. Aber da sich das Denguefieber in diesen Breitengraden in Südamerika zur Pandemie gesteigert hat, wollen wir kein Risiko eingehen. Ist zwar lästig, hilft aber nichts.

Auf der weiteren Fahrt nach Norden bis nach Santa Cruz de la Sierra, lernen wir die Eigenheiten des bolivianischen Fernverkehrs kennen. Tanken ist schwierig („no hay Diesel“…siehe oben). Die Ruta 9 ist zwar gut ausgebaut, dennoch kommen wir nur langsam voran. Gefühlt alle paar Kilometer werden wir ausgebremst.
Entweder von sog. Topes – gewaltige Straßenschwellen, die in der Nähe von Ortschaften am Rande der Nationalstraße zum Abbremsen zwingen – von Mautstationen (peajes), an denen wir für den nächsten Straßenabschnitt die fällige Straßenbenutzungsgebühr bezahlen oder von den vielen Polizeikontrollposten. An diesen spannt der Diensthabende ein Seil quer über die Straße. Also anhalten. Und nachdem keiner an das Fahrzeug zur Dokumentenkontrolle kommt, muss Christian mit den Fahrzeugpapieren aussteigen, dem Polizisten in seinem „Kabuff“ die geforderten Informationen geben, und nach Zahlung eines kleinen Beitrages zur Stärkung des jeweiligen Privathaushaltes fällt dann auch das Absperrseil auf die Fahrbahn und die Fahrt ist wieder frei. Diskutieren ob der Rechtmäßigkeit der geforderten Summe wollten wir nicht. Lieber schnell weiter.
Es zieht sich ganz schön. Und daher machen wir auf gut halber Strecke nach Santa Cruz für heute Feierabend und stellen uns für die Nacht bei einem großen Marienschrein auf den Parkplatz. Scheinbar sehen wir ziemlich bedürftig aus; jedenfalls schenkt uns ein freundlicher, die Maria anbetender Bolivianer bei seinem Halt nach einem kurzen Plausch eine große Tüte Orangen. Wir sind überwältigt von solcher Großzügigkeit. Mit diesem wunderbaren Gefühl der Gastfreundschaft quartieren wir uns für die nächsten Tage am Südrand von Santa Cruz im Paraiso Vitalis bei Laya und Walter ein. Die beiden Münchner sind vor 30 Jahren nach Bolivien ausgewandert und haben sich eine kleine Oase geschaffen. Vorher ging’s aber noch schnell zum gut sortierten Supermaxi, Vorräte einkaufen.
Auf dem riesigen Vitalis-Grundstück auf einer Anhöhe mit Blick über den Amboró Nationalpark grünt und blüht es überall. Wir fühlen uns gleich willkommen. Zudem treffen wir auf unsere alten Reisebekannten aus der Schweiz, Claudia & Armin, denen wir bereits seit Ushuaia immer mal wieder über den Weg gelaufen sind. Zuletzt in San Pedro de Atacama, bevor die beiden auf die Lagunenroute entschwunden sind.

Sehr entspannt vergehen die Tage. Laya bietet als ausgebildete Physiotherapeutin wohltuende Massagen…für unsere geschundene Fernfahrer-Overlander-Rückenmuskulatur ein Segen. Abends grillen wir gemeinsam. Laya spendiert einen großen Korb ofenfrischer, duftender Laugenbrezen und einen Kartoffelsalat wie aus der Heimat und wir erfahren viel vom Leben in diesem schönen und abwechslungsreichen Land.

Zwischendurch sind wir vier mit einem kleinen Collectivo nach Santa Cruz Downtown geshuttelt und haben einen Tag lang die Stadt durchlaufen. Waren auf dem quirligen Bauernmarkt Los Posoz mit seinen unzähligen kleinen Marktständen und sind nach einem späten Riesen-Pizza-Mittagessen beim Original-Italiener in unsere Ruheoase zurückgekehrt.

Während unserer Gespräche mit Laya und Walter haben wir auch die herausfordernde Kehrseite des Lebens in Bolivien kennengelernt; politisch – aufgrund des anhaltenden Streits zwischen dem aktuellen Präsidenten Luis Acre und dem Ex-Präsidenten Evo Morales in fast schon eine Schachmattsituation hinein manövriert – leidet das Land unter einer starken Wirtschaftskrise.
Die politische Elite wird für die immer weiter um sich greifende Korruption vor allem im Staatswesen verantwortlich gemacht. Lange Streiks, bei denen das ganze Land in Sippenhaft genommen wird, lähmen die Aufschwungversuche zusätzlich. Und da ein solcher Generalstreik inklusive Straßenblockaden für die nächste Woche angekündigt ist, verlassen wir nach fünf tollen Tagen das Paradis Vitalis und machen uns auf den fast 700km langen Weg Richtung Osten nach Brasilien.

Vor der Abfahrt können wir an einer Tankstelle tatsächlich noch ein paar Liter Diesel erstehen und beim Hipermaxi die nötigen Einkäufe für die nächsten Tage erledigen. Zurück auf Parkplatz ist der Schreck groß…unter unserem PuCe hat sich eine große Pfütze Kühlwasser gesammelt.
Gott sei Dank sind Armin und Claudia auch da, und mit Armins Hilfe (er war sein Leben lang Fernfahrer und kennt LKWs in- und auswendig) finden wir das Problem schnell. Eine Schelle um einen Kühlwasserschlauch hat sich gelöst. Also Fahrerhaus kippen, Werkzeugkoffer raus und nach einer guten Stunde gemeinsamer Arbeit ist die Schelle wieder fest und wir sind das Problem hoffentlich los.
Als kleines Dankeschön laden wir die beiden noch zu einem Mittagessen ein und verabschieden uns dann mit den besten Wünschen für die weitere Reise.

Da es aufgrund der ungeplanten LKW-Reparatur mittlerweile auf den Nachmittag zugeht und die Umfahrung der Stadt sich elendig in die Länge zieht (Feierabendverkehr) schaffen wir es heute nur zu einem wenige Kilometer außerhalb liegenden wilden Übernachtungsplatz an den Ufern des Río Grande O Guapay. Mitten in der Nacht – so gegen 2 Uhr – werden wir von einem „Fischer“ geweckt, der uns nach lautem Klopfen an die Wagentür angeblich Fische verkaufen möchte. Unserer Meinung nach wollte er wohl abchecken, ob es hier leichte Beute zu machen gibt…lautstark und mit dem Licht unserer starken Taschenlampe geblendet bekommt er erklärt, dass es hier für ihn nichts holen gibt. Der Rest der Nacht bleibt dann ruhig. Morgen werden wir uns wieder einen sichereren Stellplatz suchen!

So geplant in San Jose de Chiquitos. Mitten auf der in der Mittagshitze fast ausgestorbenen Plaza Central, dem zentralen Platz in der Stadt, etwa 200km weiter auf unserer Strecke. Laut iOverlander ein geeigneter Ort.
Obwohl wir keine Gäste sind, werden wir im benachbarten Hotel Misiones de Chiquitos am Nachmittag für ein paar Bolivianos herzlich eingeladen, den tollen Pool und die Duschen zu nutzen. Machen wir natürlich gerne. Wunderbar erfrischt müssen wir jedoch feststellen, dass sich der Platz innerhalb der vergangenen Stunden von ganz, ganz ruhig zu total quirlig gewandelt hat.
Viele Gruppen flanieren oder sitzen im Schatten der großen Bäume zusammen. Motorräder umkreisen wie wild den Platz. Die Bürgersteige sind vollgestellt mit Stühlen und Tischen der angrenzenden Restaurants. Unser PuCe ist umlagert. Und die Polizei ist auch nicht begeistert von unserem Plan, hier über Nacht stehen zu bleiben. Eigentlich herrscht für schwere Autos „Einfahrverbot“ in das Zentrum. Aber Schilder diesbezüglich haben wir keine entdeckt.
Also folgen wir der eindringlichen Aufforderung der freundlichen Polizisten und verlegen an den Ortsrand auf den großen Parkplatz einer (leeren) Tankstelle. Mittlerweile ist es nachts auch so warm, dass wir alle Fenster inklusive Dachluke öffnen müssen, um die aufgeheizte Kabine wenigstens ein paar Grad abkühlen zu können.

Das hält uns aber nicht davon ab, am nächsten Tag die 5km zur Felsenbrücke bei Santiago de Chicitos zu wandern. Auf einem von der EU, speziell von Schweden, mit Entwicklungshilfegeldern subventionierten Wanderweg erklimmen wir die steilen Anstiege und werden mit einem atemberaubenden Blick auf die tief liegende Ebene, die schon zum Amazonasbecken gehört, belohnt.
Am Endpunkt des Wege finden wir uns unter einer natürlichen Felsbrücke wieder, und machen uns nach einer kurze Rast auf den Rückweg. Es ist bei 35° einfach zu heiß, um länger in der Sonne zu verweilen.

Entspannen werden wir uns dann die nächsten zwei Tage auf dem top gepflegten Camping El Tucán in Aguas Calientes (warme Wasser).
Die kleine Stadt trägt den Namen zurecht. Der nur 5km lange, an der Stadt vorbeiplätschernde Fluß „Aguas Calientes“ hat eine durchschnittliche Wassertemperatur von immerhin 40° Celsius. Direkt im Flussbett steigt das Wasser aus heißen Quellen nach oben.
Der Campingplatz-Chef watet vor uns durch das nur hüfthohe Wasser und zeigt uns im Fluss aufsteigenden Hotspots, über denen wir wie in einem Thermalbad im Wasser dümpeln. Danach tut die kalte Dusche richtig gut…so aufgeheizt wie wir sind.
Und weil es so schön ist, bleiben wir kurzerhand noch einen weiteren Tag zum „Gesundheitsschwimmen“. Als kleiner Bonus zum Beauty-Programm leben in Ufernähe kleine Doktorfische, die fleißig die Hornhaut an unseren Füssen, die wir vom Holzsteg ins Wasser baumeln lassen, abknabbern.

Rundum erneuert, machen wir uns auf, Bolivien zu verlassen. Die Grenze zu Brasilien ist jetzt nicht mehr weit.
Uns hat der Teil Boliviens, den wir bereisen durften, richtig gut gefallen. Auf dem über 4000m hohen Altiplano im Südwesten, über die Berge Richtung Nordosten, durch die (fast schon) Großstädte Tarija und Santa Cruz immer weiter nach unten in die Tiefebene.
Von einer spärlichen Vegetation, die eigentlich nicht zum Überleben reicht, hinein in ein überschwänglich grünes, tropisches Gebiet.
Vor allem waren es wieder die überaus freundlichen Menschen und die vielen kleinen, herzlichen Momente, die uns den Aufenthalt versüßt haben. Schön, dass wir uns die Zeit genommen haben und den Ratschlägen von vor uns Reisenden gefolgt sind, Bolivien auf unsere Reiseroute zu setzen.

1 Kommentar zu „Von Villazón nach Puerto Quijarro“

  1. Es ist faszinierend wie ihr beiden die Probleme welche ihr bekommt meistert!! Wir wünschen weiterhin tolle Abenteuer und viele neue Erfahrungen. Mfg Hartmut und Ines

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