Am Atlantik südwärts – Pinguine, Magellan und versteinerte Bäume



Über Puerto Madryn, wo wir uns das erste Mal bei einer Western-Union-Filiale selbst Geld aus Deutschland überweisen und in Argentinischen Pesos ausbezahlen lassen (funktioniert ganz hervorragend), geht unsere Reise nach Punta Tombo, einem weiteren Schutzgebiet für Pinguine. Hier heißt das: Pingüinera.
Auf dem Weg dahin, in Trelew, geraten wir in eine Polizeikontrolle; eigentlich eine Gendarmeriekontrolle (in Argentinien ist es ähnlich wie in Frankreich. Es gibt die policia nacional, die policia municipal und eben die gendarmeria). Erst ist der Schreck groß. Ein Gendarm möchte alle Fahrzeugpapiere und unsere Ausweise sehen inklusive des Einfuhrdokumentes unseres Autos. Nachdem wir alles vorzeigen können, wird uns allerdings schnell klar, dass „Pablo“, wie er sich vorstellt, einfach nur neugierig ist und gerne das PuCe besichtigen möchte. Er erzählt und fragt, was wir so vorhaben und als wir ihm anbieten einen Blick in die Kabine zu werfen, ist er komplett happy. Mit Räuberleiter klettert er in unser Haus und ist baff erstaunt ob der casa gigante. Zum Abschied bekommen wir ein Selfie mit ihm und obendrauf noch sein offizielles Gendarmen-Abzeichen geschenkt, das er einfach von der Schulter der Uniform ablöst und Christian als kleines Andenken an diesen Moment in die Hand drückt.


Punta Tombo ist ein Paradies für Magellanpinguine. Ähnlich wie auf der Estancia San Lorenzo auf Valdés, aber eben als staatlicher Nationalpark geführt. Spannend und entspannend zugleich für uns, die kleinen Kerlchen wieder hautnah beobachten zu können. Und mittendrin dabei zu sein!
Auf dem Parkplatz treffen wir eine französische Familie, die mit vier Kindern und einem in Argentinien zugelaufenen Hund im Truck für insgesamt 14 Monate unterwegs sind. Name: 1camionet4coolkids = 1 Truck und 4 coole Kinder. Ihr MAN-LKW ist etwas größer als unser PuCe (ist ja auch für sechs Personen!). Alle sind super nett und völlig tiefenentspannt. Mit vier Kindern und Hund muss das wahrscheinlich so sein. Einzige echte Herausforderung für sie ist die Fernschule für die Teenager. Denn stabiles Internet zur termingerechten Abgabe der Hausaufgaben ist in diesen Landesteilen nicht immer garantiert.

Etwas weiter südlich auf der Ruta Provinicial 1, kurz vor den verfallenden Gebäuden von Cabo Raso, werden wir von unseren Schweizer Reisebekannten Sonja und Hans-Peter von der Piste gewunken. Wir haben uns wohl durch die aufgewirbelten Staubwolken schon von weitem angekündigt… Fast unsichtbar hinter den Dünen haben sich die zwei direkt an einem einsamen Strand für die Nacht eingerichtet. Und große Überraschung: Udo (aus Recklinghausen kennengelernt im Paraiso Suizo in Uruguay) mit seinem Steyr-Truck ist auch schon da. Dauert nicht lange und die sechs Franzosen plus Hund tauchen ebenfalls am Horizont auf. Also stehen wir heute Nacht zu viert, alle mit der Nase im Wind, an einem wunderschönen, unberührten Strand und können unser Glück kaum fassen.







Am nächsten Tag fahren wir langsam auf der RP 1 nach Camarones. Die Schotterstraße, auf Spanisch ripio genannt, schlängelt sich zuerst durch eine sehr abwechslungsreiche, hügelige Landschaft bevor sie dann auf den letzten Kilometern direkt am Atlantikufer entlang verläuft. Die Felsen sind verschiedenfarbig gestreift (alles zwischen dunkelrot und hellrosa) und oben einfach abgeflacht; ähnlich den Tafelbergen oder Mesas. Obwohl wir nur mit etwa 40 km/h im Durchschnitt vorankommen, genießen wir die Fahrt. Und bei dieser „Schrittgeschwindigkeit“ sieht man ja auch viel mehr! Das kleine Camarones bietet neben dem Campingplatz auch die Gelegenheit für Christian, das erste Mal in Südamerika zum Frisör (peluqueria) zu gehen. Der junge Barbier Alan in seinem Hinterhofsalon hat zwar etwas Mühe, die detaillierten Wünsche zur Traumfrisur zu verstehen; das Ergebnis kann sich jedoch sehen lassen. Wieder eine Hürde überwunden. Camarones bedeutet übersetzt „die Garnelen“; hier vor der Küste – so heißt es – werden die besten Garnelen Argentiniens aus dem Atlantik gefischt. In der touristischen Vorsaison sind die Restaurants leider noch geschlossen. Daher fällt dieses kulinarische Vergnügen für uns heute aus.

Der nächste Ort an der Atlantikküste, den wir erreichen, ist Rada Tilly. Ein schmuckes Bade-Städtchen mit tollem Strand, an dem wir ausgiebig entlang spazieren. Am Sonntagmorgen, 2. Advent, findet ein Langstrecken-Wettschwimmen im Meer statt; ähnlich einem Triathlon nur eben ohne Radfahren und Laufen. Schaulustige und Angehörige bibbern im Wind, während die Baywatch-Mimen in ihren Neoprenanzügen durch die kalten Wellen kraulen. Wir frieren schon beim Zusehen.
Immer wieder, so auch in Rada Tilly, begegnen wir bekannten Gesichtern. Viele Camperreisende haben eine ähnliche Reisegeschwindigkeit wie wir und die Sehenswürdigkeiten bzw. Übernachtungsmöglichkeiten entlang der Ruta 3 in Richtung Süden sind überschaubar. Bei einer Dose Bier werden enthusiastisch die neuesten Infos und Erlebnisse ausgetauscht und am Grill neue Bekanntschaften geschlossen. Wir treffen uns sowieso irgendwann irgendwo wieder.
An solchen Orten entscheiden wir uns meist, ein oder zwei Extra-Tage zu verweilen. Erlebnisse verarbeiten, am Auto herumwerkeln (auch unser PuCe braucht mal Pflege, z.B. Luftfilter reinigen) oder auch diesen Artikel schreiben.
Dieser Küstenabschnitt bzw. die Orte rund um die nächste größere Stadt Comodoro Rivadavia verdanken ihre Blüte dem vor etwa 100 Jahren gefundenen Erdöl, welches mittels unzähliger „Pferdeköpfe“ aus dem Boden gepumpt wird. Auf den Straßen begegnet uns eine Flut von Tanklastern, die Benzin und Diesel von hier aus ins ganze Land verteilen. Beim Smalltalk an der Tankstelle mit einem Trucker erfahren wir, dass er die Strecke Buenos Aires – Ushuaia in etwa 4 bis 5 Tagen schafft. Wir brauchen über 5 Wochen. Deutsche Lenkzeitenvorschriften gelten in Südamerika scheinbar nicht. Diese Zapfsäulen-Momente dauern manchmal ganz schön lange. Nicht weil der Tankwart trödeln würde, sondern weil die Gespräche zuweilen nicht enden wollen. Groß ist der Redebedarf der freundlichen Argentinier. Und so erzählen wir immer wieder aufs Neue unsere Geschichte (übt das Spanisch!) und erfahren so nebenbei die eine oder andere kleine Neuigkeit oder bekommen Tipps.




Wir sind froh über einen Abstecher zum Monumento Natural Bosques Petrificados, einem versteinerten Wald. Der Zwillingsvulkan Madre y Hicha (Mutter und Tochter) hat bei einem Ausbruch vor etwa 160 Millionen Jahren einen urzeitlichen Regenwald mit Asche verschüttet und durch entsprechende chemische Vorgänge (Eindringen von Siliziumdioxid in die Holzsubstanz –> man spricht von „verkieseln“) und vorteilhafte Umgebungsbedingungen (Temperatur/Druck) sind aus den riesigen Baumstämmen Steinstämme geworden. Die größten, hier von der Bodenerosion freigelegten Bäume sind fast 50 Meter lang und knapp 4 Meter im Durchmesser.
Wir fühlen uns wie im Norden Namibias. Die Landschaft ist ähnlich karg; campen wild kurz vor dem Eingang in den Nationalpark ganz alleine in der Wüste unter einem tollen Sternenhimmel in absoluter Stille. Zugeben, Guanacos gibt es in Afrika nicht. Und mit Elefanten ist hier auch nicht zu rechnen. Allein schon für das Farbspiel von Sonnenaufgang und Sonnenuntergang ist dieser Abstecher die Fahrt wert – dafür gilt es jedoch zwei Herausforderungen zu meistern:
Die Tage sind jetzt schon sehr lang (5-22 Uhr) = früh aufstehen und spät ins Bett.
Und zweitens: für die jeweils 36 Kilometer Fahrt von und zur Ruta 3 auf einer Schotter-Waschbrett-Schlaglochpiste benötigen wir jeweils fast anderthalb Stunden. Und diese Straße ist eine ausgewiesene Ruta Provincial, die noch mehrere hundert Kilometer weiter ins Landesinnere führt!
Zurück auf Asphalt kämpfen wir uns gegen den starken patagonischen Wind nach Puerto San Julián. Aus einem uns unerfindlichem Grund bläst der Wind gefühlt immer von vorne und treibt unseren Dieselverbrauch in ungeahnte Höhen. Kann er nicht mal von hinten anschieben?
Am kleinen Hafen steht ein maßstabsgetreuer Nachbau des Segelschiffes „Victoria“, mit dem Fernando Magellan am 31. März 1520 nach über einjähriger Fahrt von Spanien aus hier an der Küste Argentiniens gelandet ist. In der Folge wird er noch weitere Entdeckungen machen, bevor er gut ein Jahr später auf den Philippinen den Tod findet. Nachdem wir gerade die einzigen Touristen sind, bekommen wir eine Privatführung auf der liebevoll ausgeschmückten Victoria. Und seit heute Vormittag wehen auch wieder neue Flaggen an den Masten…die alten hat der Wind aufgefressen (O-Ton unserer Führerin). Puerto San Julián ist immer noch stolz darauf, dass an dieser Stelle die erste heilige Messe auf Argentinischem Boden gefeiert wurde. Und zwar genau am 1. April 1520…bevor dann tags darauf am 2. April die vier unter Magellans Kommando stehenden Kapitäne der Begleitschiffe zur Meuterei aufgerufen haben. Doch das ist eine andere Geschichte.
In den dann folgenden gut 350 Jahren passierte: genau gar nichts. Zur großen Freude der indigenen Tehuelches. Nur sind diese durch die eingeschleppten europäischen Krankheiten an den Rand der Auslöschung getrieben worden. Heute lebt leider kein direkter indigener Nachfahre dieses stolzen Nomadenvolkes mehr. Einzig die Aufzeichnungen des deutschen Anthropologen Martin Gusinde aus den 1920er Jahren geben noch kenntnisreichen Aufschluss über einstige Lebensweise und Riten.
Erst im späten 19. Jahrhundert nahm die Besiedlung und die Schafzucht in dieser Gegend auf riesigen Estancias mit dem Woll-Boom Fahrt auf. Heute sind Erzabbau und fischverarbeitende Industrien der Motor der lokalen Wirtschaft.






Unser Plan war es im Parque National Monte León zu campen. Leider ist der Campingplatz aktuell geschlossen und Wildcampen im Park verboten. So müssen wir 30 km zurück zur Isla Pavlón im Rio Santa Cruz bei der kleinen Stadt Comandante Luis Piedra Buena, bevor wir uns den Nationalpark am nächsten Tag in aller Ruhe ansehen werden.
Berglöwe, León de Montaña, wird in Argentinien der Puma auch genannt. Eine Felsformation am Meer, die einem Löwenkopf ähnelt, ist namensgebend für den Park, der auch Habitat von Pumas ist. Ca. 20 km Schotterpiste führen durch das „Tal der Guanakos“ von der Ruta 3 durch den Park bis zum Atlantik.
Wir sind vormittags ganz alleine im Park und machen einen wunderschönen Spaziergang durch die blühende Steppe zu den Pinguinen. Die Küken hier sind schon ein bisschen größer als die, die wir bisher auf Valdés und bei Punta Tombo gesehen haben – langsam wird der Bauch weiß und der graue Flaum wird bald einem wasserdichten Federkleid weichen. Noch ist das Gefieder aber nicht zum Schwimmen geeignet und die Kleinen müssen nach wie vor im Nest gefüttert werden. Über den Klippen sitzen wir auf einer Bank in der Sonne und genießen den Blick auf das türkisblaue Meer, in dem zwei schwarzweiße Delphine spielen.
Auf den „Cabeza de León“ (Löwenkopf) führt ein Holzbohlenweg hinauf zu einem Aussichtspunkt mit Blick auf eine Seelöwenkolonie. Doch vorher müssen wir noch eine andere Holzbohlenbrücke auf ihre Tragfähigkeit überprüfen. Ein paar kräftige „Hüpfer“ von Christian sollen die 12 Tonnen PuCe-Gewicht simulieren 🙂 … hält!









Liebe Patricia, lieber Christian,
Eure Berichte sind so spannend, dass Ihr durchaus einen Abenteuerroman daraus machen könnt. Eure so detailliert und spannend geschriebenen Erlebnisse lässt uns mit Euch (leider nur digital)in diese Reise eintauchen. Wir können Euch nur beglückwünschen diesen Schritt gemacht zu haben. Heute ist hier im von Regen und Sturm geschüttelten Norden genau das richtige Wetter um Euch beiden hinterher zu träumen. Hier ist die übliche Vorweihnachtshektik zu spüren. Aber das ist für Euch wahrscheinlich kein Thema. Wir wünschen Euch noch viele aufregende und spannende Erlebnisse und Begegnungen. Besonders die spontanen ungeplanten Begegnungen berühren das Herz und bleiben unvergessen. Haltet uns weiterhin auf dem laufenden, wir warten darauf. Alles, alles Gute für Euch.
Silvia und Günther aus Nottensdorf
Ihr Lieben!
Es ist so wunderbar erfrischend und spannend eure Berichte zu lesen.
Wir fühlen uns dabei, als ob wir uns in euren Puce geschmuggelt haben und hautnah dabei sind. 🙂
Ihr macht es genau richtig! Entspannt, ohne Hektik und einfach genießen!
Wie freuen uns über jeden neuen, detaillierten Reisebericht.
Genießt ein wenig die Vorweihnachtszeit mit den original Nürnberger Lebkuchen.
Dicken Drücker von
Martina und Stefan +Kids