Von Cafayate bis San Pedro de Atacama


Im Farben- und Höhenrausch

Nur einen kurzen Hüpfer hinter der heiligen Stadt von Quilmes (der Motor ist kaum richtig warm geworden) sind wir auch schon im kleinen, charmanten Cafayte.
Auf dem Weg dahin kam uns eine Oldtimer-Rallye-Karawane mit fast 50 Fahrzeugen entgegen. Vom uralten Fiat 500 bis zur Mercedes Pagode war alles dabei. Hätten wir uns glatt einreihen können!

Zugegeben, vor unserer Reise kannten wir dieses (nach Mendoza) zweitgrößte Weinanbaugebiet Argentiniens überhaupt nicht. Umso mehr sind wir überrascht von den weitläufigen Weinfeldern und den schier unzähligen Bodegas entlang der Ruta 40 kurz vor und um Cafayte herum. Die Gegend ist berühmt für den Torrontés; ein Weißwein, der fast ausschließlich in Argentinien angebaut wird; aber auch in Spanien, nur das wollen die Argentinier nicht hören!

Wir machen es uns auf dem netten Camping Municipal am südlichen Stadtrand gemütlich und erlaufen die in Reichweite befindlichen familiengeführten Weingüter, in Südamerika Bodegas genannt. Weit laufen müssen wir dafür nicht; alles liegt buchstäblich „ums Eck“. Viele Weingüter bieten zumeist kostenfreie Führungen (oder für wenig Geld) durch ihre Keltereien und Produktionsstätten, natürlich mit einer Verkostung am Ende und einem Direktverkauf „ab Werk“. Dazu gibt es meist kleine Speisen, wie z.B. Empanadas oder anderes Fingerfood.
Uns macht es richtig Spaß, einfach hier und da reinzuschneien, ein paar Gläschen zu probieren und weiterzuziehen. Erstaunlich, welch‘ große Geschmacksvielfalt von nur einer Traubensorte durch verschiedene individuelle Ausbauvorgänge entstehen kann. Bei der Bodega Porvenir gibt es Wein zum Probieren aus dem Automaten. Einfach die ausgehändigte Zahlkarte rein, das Glas unter den Hahn für die jeweilige der 12 angebotenen Weinsorten halten und Knöpfchen drücken. Abgerechnet wird am Schluss…auch ein schlaues System…aber etwas unpersönlich.

Unser Merkzettel wird länger und länger. Am letzten Tag „bewaffnet“ mit Rucksäcken und Tragetaschen schlagen wir zu. Gut, dass wir im PuCe noch freien Stauraum haben. Abends genießen wir draußen bis spät in die Nacht die lauen Temperaturen unter einem zum Greifen nahen Sternenhimmel und öffnen schon mal das erste Fläschchen.

Auf der RN68 verlassen wir am frühen Morgen Cafayate nach Nordosten durch die enge Quebrada de las Conchas, die Muschelschlucht, mit ihren beeindruckenden Felsformationen. Immer wieder halten wir an für kurze Wanderungen an so namhaften Orten wie Los Colorades, Las Ventanas (die Fenster), El Obelisco oder Garganta del Diablo. Am Mirador Trés Cruces werden wir mit Panflötenmusik empfangen und im Anfiteatro spielt ein Musiker passende Klänge. Wir können uns kaum losreißen.

Im Laufe des Vormittags wird es immer heißer und wir entscheiden uns für eine lange Mittagspause am alten, 1916 eröffneten Bahnhof von Alemania 100km südlich der Provinzhauptstadt Salta, um wieder einen kühlen Kopf zu bekommen.
Jahrzehntelang war der Endbahnhof Teil des Ferrocarril-Central-Norte-Streckennetzes und wurde 1977 – nach der Eröffnung der Ruta National 68 – endgültig geschlossen, was zu einer fast vollständigen Entvölkerung der winzigen Stadt führte.
Erst Anfang der 2000er Jahre begann die langsame Wiedergeburt als touristischer Zwischenstopp. Mehrere Hippie-Familien haben sich um den alten Bahnhof niedergelassen und vermarkten ihre selbst hergestellten Produkte aus Wolle, Ton, Holz oder Alpaka.

Am Nachmittag erreichen wir die fast 700.000 Einwohner zählende Provinzhauptstadt Salta. Das Balneario Xamena, das „Stadtbad“, um dessen riesigen, aber in der Nachsaison leider leeren Pool (rekordverdächtige 270m lang und 97m breit!) sich ein Campingplatz und Overlander-Hotspot etabliert hat, wird unsere Basis für die nächsten sechs Tage.
Den gemütlichen Abend verbringen wir im Kreise von alten Reisefreunden Iris & Pavel aus Dortmund und Dagmar & Thomas aus München. Im Laufe der nächsten Tage kommen dann noch Delia & Mischa aus der Schweiz dazu.

Leider fällt das Maibaum-Aufstellen (eine alte bayerische Tradition) am 1.Mai aus, weil uns das nötige Zubehör fehlt. Allen voran der Maibaum selbst, die jungen Burschen in krachernen Lederhosen und natürlich ein paar ordentliche Maß Bier; und es gibt auch keinen Baum im Nebenort, wo wir unerkannt in der Dunkelheit einen hätten stibitzen können.
Stattdessen ziehen wir als Gruppe durch ein paar „wilde“, zwielichtige Vorortviertel hindurch ins Zentrum, um ganz herrlich gegrillte Steaks essen zu gehen. Der große Gastraum ist brechend voll (immer ein gutes Zeichen), trotzdem gelingt es uns, den Patron zu überreden, ein paar Tische und Stühle im Schatten auf dem Bürgersteig für uns sechs zusammenzurücken. Der Grillmeister versteht was von seinem Fach! Satt, sauber und trocken – also rundherum zufrieden – finden wir uns kurz vor 18 Uhr auf dem Hauptplatz ein…wir haben eine Reservierung für eine Stadtführung.

Klein, charmant, traditionell, modern und sehr lebendig präsentiert sich uns Salta, von den Einheimischen einfach nur „la linda“, die Schöne, genannt. Wir bekommen Tipps für Museen und kleine Oma-geführte Garküchen, in denen die lokalen Rezepte gepflegt werden. Einiges davon werden wir am nächsten Tag ausprobieren. Doch nicht bevor wir Iris und Pavel gebührend verabschiedet haben. Die beiden machen sich auf den Rückweg nach Montevideo, um Ende Mai ihr Wohnmobil zurück nach Deutschland zu verschiffen. Passt auf euch auf…in Südbrasilien und Nord-Uruguay herrschen furchtbare Unwetter wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr, und weite Teile dieser Landstriche sind von den Wassermassen überspült. Welch‘ Tragödie für die dort lebenden Menschen.

Wir folgen den Empfehlungen des Stadtführers und besuchen das Museum MAAM (Museo Arqueologiá de Alta Montaña). Im Jahr 1999 haben Archäologen auf dem 6740m hohen Gipfel des erloschenen Vulkans Llullaillaco eine mehr als 500 Jahre alte Begräbnisstätte mit drei dort geopferten Inkakindern freigelegt.
In der kalten, trockenen Höhenluft haben sich die Mumien und Grabbeigaben extrem gut erhalten. Und konnten so den Forschern wertvolle Informationen über die damaligen Bräuche liefern, die unter anderem eine Brücke zwischen der spirituellen (Geister-)Welt und der irdischen bauen sollten.

Nach unserer Meinung wird die für uns erstmal verstörende Geschichte und der zeitgenössische Kontext solcher Rituale hier auf ganz besonders pietätvolle Weise erklärt, dargestellt und mit hochinteressanten Fakten und Fundstücken hinterlegt.

Über einen Handwerkermarkt schlendern wir direkt zu den empfohlenen kleinen Empanada-„Holzofen-Bäckereien“. Sowohl im „El Tacito“ als auch in der „La Salteñeria“ werden nur 3 Gerichte angeboten. Empanadas (jeweils mit Käse-, Fleisch- und Hühnchenfüllung), Tamales und Humitas. Die beiden letzteren sind in Maisblätter gewickelt und gegarte, kinderfausthandgroße „Batzen“ aus Mais- bzw. Kartoffelmus mit oder ohne Fleischfüllung. Auch werden Potosinas serviert: eine bolivianische Variante der Empanada mit einer flüssigeren Füllung (ähnelt eher einem Eintopf)…schwierig zu essen. Denn wenn man nicht vorsichtig is(s)t, läuft einem die heiße Suppe über Finger und Hände.

Beide Restaurants, in die mehrheitlich einheimische Salteños auf einen kurzen Mittagsstopp reinschauen, haben nur ein paar Tischchen und bedienen ihre Kundschaft schon über so viele Generationen hinweg, dass sich selbst die Alten an eine Zeit ohne diese Küchen mit ihren knisternden Holzöfen nicht mehr erinnern können. Wir probieren uns durch die Speisekarten, einmal von oben nach unten, und verfolgen das quirlige Treiben in den urigen Restaurants.

Mit vollen Mägen wollen wir den Hausberg von Salta, den Cerro San Bernardo für die beste Aussicht über die Stadt erklimmen. Erklimmen ist das richtige Wort. Über 1021 steile Treppenstufen geht es in der Sonne schwitzend entlang eines Kreuzweges hinauf. 14 mühevolle Stationen…Herrschaftszeiten…nimmt das gar kein Ende?!

Doch der Ausblick entschädigt für die Anstrengung. Für den Rückweg entscheiden wir uns jedoch für die deutlich komfortablere Variante: den teleférico, die Seilbahn. Geht auch viel schneller. In nur 8 Minuten sind wir wieder unten.

Heute geht es früh ins Bett, denn morgen müssen wir schon um vier Uhr aufstehen. Der Zug in die Wolken (tren a las nubes) wartet auf uns. Dafür checken wir für die pünktliche Abfahrt mit einem komfortablen Reisebus am Bahnhof in Salta um 6 Uhr ein.
Durch die Quebrada del Toro (die Stierschlucht) windet sich die Ruta Nacional 51 bis nach San Antonio de los Cobres auf 3800m Höhe. Unterwegs ein paar Zwischenstopps zur Stärkung der heimischen Wirtschaft; kleine Kunstmärkte bieten allerlei Selbsthergestelltes an.
Gehöfte, in Ponchos gemummelte Kolla-Frauen, Korrale mit Ziegen und Schafen ziehen vorbei. Noch ist die Landschaft grün, etwas später übernehmen dann gewaltige Kakteen die Regie, ungestüme Felsen und Wasserfälle verzaubern die Breite Schlucht und haben hier und da die Straße fast unpassierbar gemacht. Ein ums andere Mal muss sich der Bus durch kürzliche Geröllabgänge eine Passage suchen.

An der kleinen Missionsstation El Alfarcito erstehen wir ein Tablett aus Kaktusholz. Beim Frühstückshalt gibt es statt Kaffee einen Coca-Tee. Zusätzlich haben wir Coca-Blätter in die Backen gestopft, die es in dieser Region an fast jedem Kiosk in großen Beuteln zu kaufen gibt. Altes Hausmittel der Andenbewohner zur Vermeidung der Höhenkrankheit; und macht auch vieles sonst im Leben ganz generell ein bisschen leichter… Immerhin werden wir heute noch auf über 4200m fahren.
Apropos Coca-Blätter: viele Bewohner dieser Hochgebiete laufen rum als ob sie (halben) Mumps hätten. Eine Backe ist immer nach außen gebeult, vollgestopft mit den wirkungsvollen Blättern.

Am kleinen Bahnhof in San Antonio steigen wir um in den Zug in die Wolken. Ehrlich gesagt, Wolken gibt es hier oben in der trockenen Luft nur sehr selten. Der Name rührt noch aus der Zeit der Dampflokomotiven. Über 22km zuckeln wir über viele Kurven und weitere 500 Höhenmeter durch ein malerisches Hochplateaupanaroma zu dem Highlight des Tages: das auf 4220m gelegene, schwindelerregend hohe Viaducto La Polvorilla. Trotz seiner 100 Jahre hält das Viadukt (zumindest heute noch) bei der Überfahrt unseres schweren Zuges.
Halt, Sitzplätze tauschen – die Fahrgäste wechseln für die Rückfahrt die Seiten (faire Idee, damit jeder die gleichen Ausblicke genießen darf) – Umkehr und nochmal im Rückwärtsgang drüber.
Abermaliger Stopp. Wir dürfen aussteigen und machen Fotos von dem beeindruckenden, 63m hohen Bauwerk. Zu guter Letzt, bevor wir die Heimreise antreten, werden wir an einem Flaggenmast auf einer kleinen Anhöhe zusammengerufen, hören die von den Mitreisenden leicht schief aber mit Inbrunst gesungene argentinische Nationalhymne Marcha Patriótica, während stolz die blau-weiße Flagge gehisst wird. Viva la Argentina!

Zurück in San Antonio de los Cobres nutzen wir die einstündige Pause zu einem kurzen Bummel durch das Bergarbeiterörtchen.
Und – wie könnte es anders sein – treffen zufällig auf Anja & Ulrich, die mit ihrem grauen Landcruiser genau in dem Moment um die Ecke biegen, als wir das Kirchlein betreten wollten. Sie sind aus Chile kommend auf dem Weg in die Puna und danach langsam über Paraguay und Brasilien zurück nach Uruguay. Großes Hallo, Erlebnisaustausch und Auf Wiedersehen (diesmal eher unwahrscheinlich, aber wer weiß…).

Vollgepackt mit tollen Eindrücken erreichen wir spät am Abend Salta und lassen uns mit einem Taxi zurück zu unserem PuCe bringen.

Schöne Überraschung

Für uns wird es auch Zeit weiterzuziehen. Nächster Halt: Purmamarca am Eingang zum Altiplano, dem z.T. 5000m hohen Hochplateau im Grenzgebiet Peru-Bolivien-Chile-Argentinien.
Doch so hoch sind wir noch nicht. Auf 2500m erstrahlt der Berg hinter dem Dorf in der Morgensonne. Auf dem Mirador wird uns schnell klar, woher er seinen Namen hat: Cerro de los Siete Colores (Berg der sieben Farben). Neben der schönen, weißen Adobe-Kirche aus dem 17. Jahrhundert und dem Kunsthandwerkermarkt, der sich um den zentralen Platz herumschlängelt, gibt es wenig Sehenswertes. Woher kommen nur all die Touristen, die jeden Tag dieses Fleckchen Erde fluten?
Na…wir sind ja auch Touristen. Und Touristen dürfen Souvenirs kaufen. Für Christian geht die lange Suche nach einem original Gauchomesser zu Ende und Patricia hüllt sich in einen kuscheligen, in der Region hergestellten Poncho aus 100% Lamawolle.

Gestärkt mit einer Tasse Coca-Tee und einer Lama-Salami im Gepäck beginnt kurz hinter Purmamarca der mühsame Anstieg auf das Altiplano. Serpentinen über Serpentinen dampft unser Wüstenschiff ohne Murren die Anhöhen hinauf, wo sich die Puna bei der Cuesta de Lipán auf 4170m Höhe zu einer gewaltigen, magischen Hochebene öffnet, begrenzt nur von den fernen Wellen blauer Berge. Die Ausblicke machen uns sprachlos.
Still und mit einen Lächeln auf den Lippen cruisen wir durch Lagunenlandschaften, sanfte, grüne Almen entlang und versuchen Fotos von den kleineren Verwandten der Lamas, den Vicuñas, zu machen. Die Wolle bzw. Haare der Vicuñas sind viel feiner und damit begehrter als die der Lamas. Kommt dazu, dass sich die Vicuñas nicht domestizieren lassen. Bis an den Rand der Ausrottung wurde diese Tiere bejagt und konnten sich doch, nachdem sie 1969 unter Schutz gestellt wurden, recht schnell wieder erholen.

Die Anfahrt auf den blendend weißen Salzsee, der Laguna de Guayatayoc, schmerzt schon fast das Auge (bloß nicht die Sonnenbrille absetzen!) und über einen Damm quer durch die Laguna erreichen wir die Salinas Grandes. Während der „regnerischen“ Frühsommermonate fluten mehrere Flüsschen mit den aus den Bergen ausgewaschenen Mineralien den Salzsee wie eine Badewanne.
Im Laufe des trockenen Herbstes und Winters verdunstet das Wasser und zurück bleiben riesige Salzflächen (über 800km²), die wir auch betreten und sogar befahren dürfen; natürlich nur mit einem Führer, der uns mit seinem Motorrad voraus über eine sichere Spur in die Salzwüste hinein dirigiert. Hier werden pro Jahr zwischen 100.000 und 200.000 Tonnen Salz hauptsächlich für die Industrie und Viehzucht abgebaut. Große Salzberge türmen sich an den Verladeplätzen und warten auf den Abtransport hinunter nach Salta. Es darf jedoch nur so viel abgebaut werden, wie auch wieder durch den Sommereintrag nachkommt; daher die große Spanne.

Etwa 10cm unter dem harten Salz steht noch das Wasser, so dass abseits der getesteten, tragfähigen Spuren das Risiko eines Einbrechens und „Versenkens ohne Wiederkehr“ einfach zu groß ist. Unser Führer ist ein ausgemachter Foto-Spezi und führt Regie: wir posieren auf der weißen Fläche für verschiedene Perspektiven, werden immer wieder zu neuen, z.T. kuriosen Konstellationen hingestellt; alleine, zusammen, mit und ohne PuCe, mal der eine vorne, mal der andere. Doch seht selbst:

Für die Weiterfahrt ist es uns schon zu spät und mittlerweile auch zu windig. Es bläst wie in Patagonien. Also bleiben wir auf dem Parkplatz einfach stehen, richten die Fahrzeugnase in den Wind und warten auf den spektakulären Sonnenuntergang. Nach einer kalten Nacht im warmen Bett (beim Aufstehen zeigt das Thermometer unter dem Gefrierpunkt) machen wir uns auf durch die Quebrada Mal Paso, die schlecht passierbare Schlucht, in das knapp 70km entfernte 2300-Seelen-Dorf Susques. Ein Schmuckstück schlichter Totenverehrung nach Puna-Tradition finden wir auf dem kleinen Friedhof, der die strohgedeckte Adobekirche aus dem 17. Jahrhundert umgibt. Die Leute waren damals definitiv viel kleiner als heute. Wir müssen beide unsere Köpfe tief einziehen, um in die aus Kaktusholz und Lehmziegeln erbaute Kapelle eintreten zu können. Die ursprünglich bolivianische Siedlung wurde erst 1889 (nach dem Salpeterkrieg, den ja Chile gewann) an Argentinien abgetreten. Wir stromern ein bisschen durch den kleinen Ort und fragen uns, was die Menschen hier den lieben langen Tag so machen und wovon sie leben. Die paar Touristen, die hier vorbeikommen, reichen doch nicht aus. Am Ortsausgang befindet sich die letzte Tankstelle vor der 120km entfernten Grenze zu Chile am Paso de Jama, dem Lama-Pass…unserem heutigem Tagesziel.

Von einem Zonenrandgebiet zu reden, wäre maßlos übertrieben. Im Dörfchen Jama am äußersten nordwestlichen Zipfel von Argentinien, dessen Daseinsberechtigung sich scheinbar nur aus dem hier angesiedelten Grenzposten ableitet, stehen ein paar Lehmhäuser und eine moderne YPF-Tankstelle, an der es sogar, zwar langsames, WLAN gibt. Immer wieder erstaunlich, was heute alles möglich ist. Aber mehr gibt es wirklich nicht. Nach Kaffee und Medialunas parken wir windgeschützt hinter der Tankstelle und tun uns diesmal auf 4000m schwer, einzuschlafen. Hilft aber nichts, um 8 Uhr macht die Grenze auf und wir wollen gleich rüber, denn die Fahrt nach San Pedro de Atacama wird lang, hoch, anstrengend aber bestimmt sehenswert.

Pünktlich, kurz nach acht reihen wir uns in die Autoschlange vor dem Grenzposten ein (die Abwicklung für die Ausreise aus Argentinien und die Einreise nach Chile erfolgt als Gemeinschaftsprojekt) und fragen uns, warum es nicht losgeht. Bis der Groschen fällt. In Chile ist es erst kurz nach sieben, während es in Argentinien aufgrund der umgestellten Winterzeit schon acht geschlagen hat. Also warten wir auf die Chilenen. Kein Problem, denn wir wollen unseren Motor sowieso erst auf Betriebstemperatur bringen, bevor es erneut hoch hinaus geht.

Am chilenischen Einreiseschalter werden wir mit einem Lachen begrüßt. Ihr schon wieder…auf ihrem Computerbildschirm erscheinen unsere vielen Grenzübertritte nach Chile beginnend im Süden in Feuerland bis hier hinauf und die Beamtin gibt uns mit einem Augenzwinkern den Hinweis, dass dies nun der nördlichste Übergang von Argentinien aus sei. Weiter nordwärts geht es kaum! Stempel in die Pässe und ein neues TIP für das Auto wird ausgestellt. Alles geht flott voran. Und um kurz vor neun (bzw. kurz vor zehn) sind wir „on-the-road“ in Chile; die Backen wieder mit den grünen Blätter gefüllt. Wir dachten, dass wir mit der Überfahrt des Grenzpasses auf 4100m Höhe den Anden-Buckel überfahren hätten; weit gefehlt. Es geht weiter hinauf. Auf 4838m! Auf dieser Höhe gleiten wir auf dem Altiplano entlang gefrorener Bergbäche und weitläufiger Lagunen, über grüne Bergwiesen und braune Bergwüsten, immer wieder an Vicuñaherden vorbei, die sich in dieser Höhe scheinbar sehr wohl fühlen, während im Hintergrund die mächtigen, schneebedeckten Fünf- und Sechstausender den Horizont schmücken. Es ist einfach malerisch. Wir halten immer wieder, um diese Eindrücke in aller Ruhe aufsaugen zu können.

Am frühen Nachmittag brechen wir durch die letzte Bergkette der Andenkordillere und sehen einen weiten, unverdeckten Horizont vor uns. Ab jetzt geht es nur noch bergab. Nicht über Serpentinen. Nein, einfach geradeaus, steil den Berg hinunter direkt auf San Pedro de Atacama zu. Über 27km von 4700m auf 2400m; bedeutet durchschnittlich fast 10% Gefälle, dauerhaft. Wir zählen auf diesem Abschnitt 13 Notausfahrtspuren für LKWs (oder auch PKWs), deren Bremsen durchglühen und versagen, sehen leider auch einige zerschellte Wracks neben der Straße und entscheiden uns daher für die langsame Variante. Dritter Gang, Motorbremse, 30km/h, unterstützendes Bremsen nur auf den steilsten Vulkanabhängen. Mit einem voll funktionsfähigen Auto erreichen wir das Örtchen San Pedro de Atacama im Herzen der gleichnamigen Wüste und halten uns gar nicht erst mit Orientierungsfahrten auf, sondern fahren direkt zu dem uns empfohlenen Campingplatz AndesNomad ein paar Kilometer südlich der Siedlung. Wir werden am Wochenende noch genügend Zeit für einen ausgiebigen Stadtbummel haben. Und wer ist auch noch da? Die beiden schweizer Pärchen Sibylle & Herrmann (getroffen in Santiago), Claudia & Armin (getroffen in Ushuaia) und die Österreicher Manju & Dieter (getroffen in Uspallata). Nach so einer eindrucksvollen Fahrt schmeckt das kalte Ankommerbier unter der wärmenden Sonne im Kreise von alten Reisebekannten besonders gut!

3 Kommentare zu „Von Cafayate bis San Pedro de Atacama“

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