Parque Nacional Los Glaciares


Gletscher, Berge, Wanderungen

Nach einer langsamen Fahrt aus dem Torres del Paine Nationalpark durch eine traumhafte Bergkulisse (an einem Hang tummeln sich ca. 30 Kondore abwechselnd im Wind) erreichen wir den Grenzübergang Don Guillermo bei Cerro Castillo von Chile nach Argentinien. Wie es der Zufall möchte, treffen wir erst Anja & Uli und dann FerneZiele an der Zollstation wieder. Wenn man sich verabreden würde, könnte man den Zeitpunkt gar nicht so exakt bestimmen…
Abgesehen von der langen Schlange am Schalter (2 große Reisebusse mit asiatischen Touris kamen ein paar Minuten vor uns an die Grenze) geht alles zügig über die Bühne. Stempel drauf und weiter geht es.

Am Atlantik sind wir der Ruta 3 nach Süden gefolgt. Ab jetzt wird – neben einigen Abstechern – die Ruta 40 bis an den Lago Buenos Aires unsere Begleiterin sein.
Die Ruta 40 ist die wichtigste und zugleich sehenswerteste Nord-Süd-Verbindungsachse in Argentiniens Westen. Definitiv nichts für Eilige. Tiere haben immer Vorfahrt; seien es ausgebüchste Schafe, Guanakos oder die gut getarnten Nandus. Das Wetter kann – wie wir selber schon gemerkt haben – extrem abwechslungsreich sein. Mit Winden, die uns von der Straße drängen und Distanzen ohne jegliche Versorgungsmöglichkeit, die kein Ende nehmen wollen. Aber sie ist einfach magisch. Endlose Steppen flankiert von schneebedeckten Andengipfeln, an deren Hängen mächtige Gletscher in die Tiefe strömen mit vorgelagerten azurblauen Lagunen. Mobilfunkempfang gibt es nur in den wenigen Städtchen entlang des Weges. Und bei jeder sich bietenden Gelegenheit heißt es: volltanken!

Mit Rückenwind (!) segeln wir die erste Etappe bis nach El Calafate. Viele Touristen drängeln sich am Tor zum Nationalpark Los Glaciares mit dem Perito-Moreno-Gletscher als absolutes Highlight. Weil es im Ort keine Campingplätze gibt – zumindest keine die unser „casa gigante“ aufnehmen möchten – campen wir wild am Parkplatz vor dem El Calafate Schriftzug. Der Ausblick aus unserem Wohnzimmer auf den Lago Argentino ist toll – Pferde, Flamingos und anderes Federvieh.

Der Parque Nacional Los Glaciares (Gletschernationalpark als Teil des südlichen Eisfeldes – Campo de Hielo Sur) erstreckt sich im Südwesten der Provinz Santa Cruz über 726.927 Hektar und ist damit Argentiniens größtes zusammenhängendes, geschütztes Gebiet. Zu den Hauptattraktionen gehören der Gletscher Perito-Moreno und der Cerro Fitz Roy, mit seinen 3405 Metern Höhe. Der Park selbst ist in einen südlichen Teil (Zugang über El Calafate) und einen nördlichen Teil (Zugang über El Chaltén) geteilt. Diese beiden Teile sind nicht durch Wander- oder sonstige Wirtschaftswege miteinander verbunden und können daher als zwei separate Parks gesehen werden. Großes Engagement wird in die Bestandserhaltung des vom Aussterben bedrohten Huemul (einheimisches Rotwild) investiert, vom argentinischen Parlament zum „monumento natural“ deklariert.

zurück in Argentinien

Nach einem ruhigen Vormittag in der Stadt, den wir mit notwendigen Instandhaltungsarbeiten am LKW und nicht minder wichtigen Alltagserledigungen verbringen (Friseur Christian, Wäscherei, Einkaufen, Waffel essen), starten wir am Nachmittag Richtung Perito-Moreno Gletscher. Ca. 5 km vor dem eigentlichen Park campen wir in einem kleinen Wäldchen etwas abseits der Straße und plaudern bei Rotwein bis spät in den Abend am Lagerfeuer mit alten Reisebekannten, die ebenfalls den Weg hierher gefunden haben.

Die Schranken am Parkeingang öffnen um 8 Uhr und wir wollen versuchen vor dem Massenandrang da zu sein. Immerhin müssen wir vom Kassenhäusel zum Gletscher noch über 40km fahren.
Wir bleiben lange an dem beeindruckenden Gletscher; über viele Stege, die direkt an der Gletscherzunge entlang führen, spazieren wir, verweilen in Stille, staunen beim tosenden Kalben und sind einfach fasziniert von den Eismassen, die sich in die beiden Seen Brazo Sur und Lago Argentino ergießen. Für uns ist es der bisher schönste und faszinierendste Gletscher, den wir gesehen haben. Neben dem Gefühl, so nah dran sein zu können (und wir fühlen uns da ziemlich klein gegenüber diesem Naturgiganten), ist es sicherlich auch der gesamtheitliche Blick von der bis zu 70m hohen und 5km breiten Zunge über den gesamten Gletscherfluss bis hinauf in das obere Eisfeld – alles in allem mehr als 30km, der uns so fesselt.

Das Eis, welches sich heute unten ablöst, ist nach Berechnungen als Schnee um die Zeit auf die Gipfel gefallen, als Fernando Magellan hier ganz in der Nähe vorbei segelte. Also mehr als 500 Jahre alt!

Nachmittags treffen wir uns wieder mit der Antarktisgruppe auf der Estancia El Galpón kurz vor El Calafate. Jan hat heute Geburtstag und wir wollen feiern. Bei Geburtstagskaffee mit von Anja selbstgemachten Torten, Spaziergang über die Estancia, Schafschurvorführung, leckerem Abendessen und Tangoshow.

Nach dem hervorragenden Rotwein ist an Weiterfahrt so spät am Abend natürlich nicht zu denken und wir übernachten alle auf dem Parkplatz der Estancia; und bekommen tierischem Besuch: 3 kleine Kätzchen tollen um die Fahrzeuge und wir hätten fast ein klitzekleines, getigertes eingepackt…

Zurück in El Calafate nochmal ein Tag mit Stadtbummel. Der Versuch Bargeld abzuheben scheitert, weil die Western Union Filiale heute schlicht kein Bargeld zum Auszahlen mehr hat. „Sorry, we are out of cash. Come back tomorrow“. Wir bleiben daher bis zum nächsten Tag, um gleich nach Ankunft des Geldtransporters bei Öffnung der Filiale Geld zu holen. Die Inflation und die noch ungewisse politische Richtung in Argentinien unter dem neuen Präsidenten Milei wird jetzt auch für uns spür- und erlebbar.

Beim Versuch wieder am El-Calafate-Schriftzug zu übernachten werden wir um 20 Uhr „vertrieben“. Dieser Platz ist zwar explizit als „Estacionamiento Casa Rodantes“ ausgewiesen…allerdings mit dem kleinen, aber feinen Zusatz: „sin pernoctar“, also kein Übernachten erlaubt. Die Beamten vom Ordnungsamt haben kein Erbarmen, und so müssen wir um eine Bucht des Lago Argentino herum weiterziehen. Im Nachhinein gar nicht schlecht, da der neue Stellplatz einen idyllischen Blick auf den See außerhalb der Stadt bietet und komplett ruhig ist.

Am nächsten Morgen klappt das Geld abheben trotz der langen Warteschlange vor der Filiale. Eine Stunde vor Öffnung stehen wir an Position Nummer 34. Ein 100-Dollar-Schein wird zu 270 500-Peso-Scheinen; größere Notationen (1000er oder gar die neuen 2000er waren schon aus). Mit den dicken Geldbündeln im Rucksack fühlen wir uns selbst wie ein Geldtransporter.
Der Internetempfang reicht hier aus, um unsere Webseite zu aktualisieren. Also schnell noch ans Werk.

Bargeld besorgen
Alternativstellplatz

Die heutige Fahrstrecke führt durch eine wunderschöne Landschaft mit türkisfarbenen Flüssen am Lago Argentino und Lago Viedma entlang zur RP21.

Eine halbe Stunde entlang der ruppigen Schotter-RP21 finden wir hinter einer Brücke am Río Guanaco ein tolles Übernachtungsplätzchen. Obwohl für 15 Tonnen zulässig (so zumindest auf dem Schild angezeigt), knarzen und ächzen die alten Holzbohlen bei unserer 13-Tonnen-Überfahrt besorgniserregend. Morgen müssen wir auf der Rückfahrt da wieder drüber! Plan: Patricia läuft schon mal vor; so werden wir dann leichter sein als heute!

Wir chillen beim obligatorischen Ankunftsradler/-bier am Fluss. Leider wird es dann später am Nachmittag so windig und damit auch staubig, dass wir uns ins Haus zurückziehen müssen.
Das PuCe schaukelt und schaukelt bis spät in den Abend; Nachts wird es dann plötzlich wieder fast windstill. In der Dämmerung kommen eine Art wilde Hamster aus ihren Verstecken und tollen & mampfen um uns herum in den Gräsern.

Der nächste Tag führt uns um die Ufer des Lago Viedma herum. Die perfekt ausgebaute RP23 sticht direkt auf das Bergmassiv des Fitz Roy zu. Den Namen hat 1877 Francisco Moreno diesem Gebirgsteil auf seiner Entdeckungsreise durch Patagonien zu Ehren des Kapitäns der HMS Beagle gegeben, auf der der Naturforscher Charles Darwin zwischen 1831 und 1836 seine Reise um die Welt und in deren Verlauf die Entdeckungen zur Entwicklung seiner Evolutionstheorie gemacht hat. Von den eingeborenen Tehuelches eigentlich El Chaltén (rauchender Berg) genannt, weil er wie ein rauchender Vulkan oft von Wolken umhüllt ist. Bei traumhaftem Wetter haben wir einen fantastischen Blick. Wir treffen FerneZiele kurz vor El Chaltén beim Fotografieren und dank Jan entstand ein spektakuläres Foto von PuCe vorm Fitz Roy.

Wir entscheiden uns für den Campingplatz El Relincho ganz zentral im Ort. Kurz durch El Chaltén spazieren und früh ins Bett, um für die Wanderung am nächsten Tag fit zu sein. Die Siedlung ist einzig für den Tourismus erst 1985 gegründet worden und gilt mit seinen 2300 Einwohner als Trekkingmetropole Argentiniens. Kurz gab es noch Grenzstreitereien mit Chile, auf wessen Gebiet dieses Fleckchen Erde denn nun liegt (geht ja um hohe Einnahmen aus dem Tourismus); alle haben einen kühlen Kopf behalten, eine militärische Konfrontation konnte dann doch noch verhindert werden. Und so kommt es, dass der Grenzverlauf über mehrere Hundert Kilometer zwischen Argentinien und Chile bis heute in der Schwebe hängt. Allgemeiner Konsens: an den Masten werden wohl weiter die argentinischen Flaggen wehen.

5.30 Uhr Wecker, um 7 Uhr geht es los zur Laguna de los Tres am Fuße des Mount Fitz Roy. 22km Wanderung (hin und zurück), die ersten 9km ein super gepflegter Wanderweg durch bezaubernde Landschaft und einem moderaten Höhenunterschied von nur 350 Metern, die letzten knapp 2km streckenweise eine „mittlere Tortur“ steil den Berg hoch (nochmal weitere fast 450 Meter in die Höhe) – aber wir werden reichlich belohnt. Kein Wind, super Aussicht auf den Berg, der sich in der Lagune spiegelt. Mehr als eine Stunde lassen wir uns den Rücken von der Sonne wärmen und genießen unsere Brotzeit im Anblick dieser Zauberkulisse.
Auf dem gut gelaunten Rückweg legen wir eine weitere Pause an der Laguna Capri ein. Fast schon ein Badesee mit kleinem Sandstrand. Aber wir ziehen unsere Wanderstiefel trotz der Verlockungen auf ein kühlendes Fußbad nicht aus. Am Ende kommen wir nicht wieder rein!
Nach über 9 Stunden des Weges ist unser erster Gang unter die heiße Dusche. Gehen essen (die eigene Küche bleibt heute kalt) und plumpsen ins Bett – jeder Muskel tut weh.

Nach einem Pausentag (Regenerations- und Schlechtwettertag) nehmen wir die Wanderung zur Laguna Torre in Angriff. 21 Kilometer hin und zurück. Heute ist Regenbogentag. In der Ferne vor uns regnet es etwas und dadurch laufen wir einen Großteil des Weges einem vollständig ausgebildeten Regenbogen entgegen. Das Wetter spielt mit, vormittags kaum Wind und nur an der Lagune ein paar Tropfen aus den dicken Nebelwolken – der Cerro Torre im Hintergrund der Lagune hat sich leider in den tief hängenden Wolken versteckt. Dafür schwimmt ein großer Eisberg im Lagunensee. Die Wanderung selbst war toll! Entlang wildromantischer Gletscherbäche, durch einen Wald mit uralten, großen Bäumen und durch blühende Wiesen.

Die vier Tage „Stillstand“ (= ohne Fahren), dafür umso mehr Laufen haben uns sehr gut getan.

Nächstes Ziel auf unserer Reise nach Norden: der Parque Nacional Perito Moreno. Nicht zu verwechseln mit dem Perito-Moreno-Gletscher und der gleichnamigen Stadt Perito Moreno etwa 300km weiter im Norden…da kommen wir auch noch hin. Dafür müssen aber die „maleditos 73“ (die verfluchten 73 Kilometer) auf der Ruta Nacional 40 zwischen Tres Lagos und dem Lago Cardiel durchfahren werden. Drückt die Daumen für trockenes Wetter.

4 Kommentare zu „Parque Nacional Los Glaciares“

  1. Dear PuCe’S
    What a fantastic Tour, one exiting experience beating the next,
    You must be Flabbergasted (good old English word) by so many Highlights !!
    how are you ever going to manage having a (Normal) holiday again.
    Patricia, Keep the Blog coming and take care.
    Regards Geoff.

  2. Da sitzen wir auf dem heimischen Sofa bei trübem Nieselwetter und können nur staunen, was Ihr alles erlebt. 😉Danke für die tollen Bilder und ausführlichen Berichte ! Weiterhin gute Reise!

  3. Ihr Lieben,
    wir sind von euren Erzählungen und der Möglichkeit so viel über das Land zu erfahren begeistert, übrigens der redaktionelle Stil ist bemerkenswert, als wäret ihr im Auftrag eines Reisemagazins unterwegs … oder doch?
    Danke für die so schöne Berichtserstattung und weiterhin das Beste für den Weg vor euch.
    Herzlichst. Hella y Carlos

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