Du bist einen Besuch wert


Wir verlassen den Campingplatz bei den Iguazu-Wasserfällen. Doch dazu gilt es von unserem Stellplatz die vom Regen durchweichte Matschepampe zu bezwingen. Alle Räder drehen durch, der LKW rutscht ohne Zutun auf seinen Slicks am leichten Abhang, denn die dick profilierten Reifen sind mit dem schmierigen Zeugs völlig zugesetzt. Letztlich gelingt es, uns freizustrampeln und wir hinterlassen eine tiefe Spur in der nassen Wiese. Zurück auf der Straße klimpert es ganz schön in den Radkästen, als sich der Matsch aus den immer schneller drehenden Reifen löst. Trotzdem nähern wir uns langsam dem maximal zulässigen Gesamtgewicht unseres LKWs; immer mehr rote Pampe klebt mittlerweile am und unter dem Auto.
Wir reihen uns in den Stau vor der Grenzbrücke hinüber nach Paraguay. Im Stop-and-Go nähern wir uns der brasilianischen migración, um die Ausreise dokumentieren zu lassen. Ziemlich rücksichtslos müssen wir uns danach wieder in den Verkehr einreihen…jeder kämpft für sich um einen Platz in der Autoschlange. Motorräder scheinen keine Regeln zu kennen. Selbst die kleinste Lücke wird genutzt, um ein paar Sekunden gewinnen zu können. Wir sehen vor uns auf den knapp zwei Brückenkilometern drei Unfälle. Einen Motorradfahrer, wie er in das Brückengeländer abgedrängt wird, und zwei abgefahrene Seitenspiegel. Zu stören scheint das keinen. Es muss weitergehen.
Erste Verschnaufpause auf der anderen Flussseite bei den paraguayischen Grenzern. Beim Ausstellen der Autodokumente werden wir von dem jungen Zöllner mit – für uns etwas verstörenden – Insidertipps versorgt. So z.B. das Anwesen, in dem Josef Mengele nach seiner Flucht über die Rattenlinie nach Argentinien und weiter in den Süden Paraguays über mehrere Jahre gelebt habe oder Gräber von anderen deutschen Schreckensgestalten dieser dunklen Epoche. Der deutschstämmige General Alfredo Stroessner hielt während seiner fast 35-jährigen Diktatur eine schützende Hand über die fast 40.000 Deutschen, die nach dem zweiten Weltkrieg nach Paraguay eingewandert sind.
Die alte Grenzstadt Puerto Flor de Lis, die in diktatorischer Manier zuerst in Puerto Presidente Stroessner umbenannt wurde, erhielt 1989 – nach der Vertreibung des Presidente – ihren heutigen Namen: Ciudad del Este; die Stadt im Osten.
Und genau da sind wir jetzt. Nur bleiben wollen wir nicht. Zu chaotisch geht es auf den engen Straßen zu. Von überall her drängen Händler, die ihre Verkaufsstände an den Bordsteinkanten betreiben und auf touristische Beute warten. In einer Parklücke tauscht Patricia flink die übriggebliebenen Bargeldbestände unserer brasilianischen Real in die hiesige Landeswährung Guaraní. Wir fühlen uns nicht wohl geschweige denn entspannt. Also schnell durchfahren und raus aus dem Gewusel.













Apropos Geld: während der vergangenen Monate mussten wir ja für jedes Land entsprechendes Bargeld besorgen. Von den jeweils landeseigenen Pesos in Uruguay, Argentinien und Chile über die bolivianischen Bolivianos und brasilianischen Reals bis hin zu den Guaraníes in Paraguay. Das klappte meist relativ einfach mit der Kreditkarte am Geldautomaten (und in den häufigsten Fällen ohne Abhebe- bzw. Bankgebühr).
In Argentinien war es allerdings aufgrund der extremen Inflation nicht einfach. Am Geldautomaten bekamen wir nur wenig Bargeld zum offiziellen, sehr schlechten Wechselkurs mit horrenden Gebühren. Da blieb uns nur der Weg zu einer der im ganzen Land verstreuten Western-Union-Filialen, in denen wir Geld aus Deutschland ganz einfach per Smartphone-App an uns selbst überweisen und das Bargeld zu einem vorteilhafteren Wechselkurs – dem sogenannten Blue-Dollar-Kurs – am Schalter abholen konnten.
Mit jedem Grenzübertritt ging die Rechnerei von vorne los…wie war nochmal der Kurs… 40:1 – 1200:1 – 1000:1 – 7,6:1 – 5,7:1 – 8200:1? Dabei den Überblick zu behalten, ist nicht immer ganz einfach. Das bei der Ausreise übrig gebliebene Bargeld tauschten wir in der Regel an den jeweiligen Grenzen bei kleinen Wechselstuben am Straßenrand in die neue Landeswährung. So eben auch in Paraguay. Obwohl der Wechselkurs des Guaraní zum Euro sehr stabil ist, beträgt er immerhin gewaltige 8200:1. Der erste Bankautomat hat uns gleich zu Bargeldmillionären gemacht; brauchte ja nicht viel dazu…gut 120 Euro haben schon gereicht!

Hinter der Stadtgrenze von Ciudad del Este können wir bereits beobachten, worauf sich die Wirtschaft Paraguays hauptsächlich stützt: Landwirtschaft. Paraguay war bis vor wenigen Jahren eine reine Agrarnation, in der heute noch knapp die Hälfte der Bevölkerung auf den teils riesigen Farmen arbeitet.
Im Vorfeld unseres Besuchs konnten wir nur wenig über die aktuelle Politik, die wirtschaftliche Lage sowie die Natur in diesem Land erfahren, um das die Mehrzahl der (europäischen) Touristen scheinbar einen Bogen macht. Viel zu spärlich sind die verfügbaren Quellen. Große „Must-Sees“ gibt es scheinbar nicht wirklich. Gar nicht so einfach, unvoreingenommene Informationen zu erhalten. Und doch strahlt Paraguay auf viele Auswanderwillige einen besonderen Reiz aus; v.a. auf Deutsche und deutschsprachige und – man höre und staune – auf Japaner.
Nicht weit entfernt von Ciudad del Este, in dem Flecken Colonia Yguazú (eine japanische Kolonie) schlagen wir auf dem Grundstück von Cedric mitten in Bananenbäumen unsere Zelte auf. Der sympathische französische Koch, der über viele kulinarische Arbeitsstationen vor einigen Jahren nach Paraguay kam, betreibt hier eine kleine Pension und Kochschule. Wir merken beim Aperitif am Lagerfeuer schnell, dass es einige Reizthemen gibt, die uns zwar sehr interessieren, aber über die nur schwerlich ein dynamischer Meinungsaustausch zustande kommt.
Bei einem Spaziergang durch das Dorf werden wir kulturell ständig hin- und her geworfen. Auf der einen Seite die Landschaft, die Architektur, der Geruch, das Klima Südamerikas und daneben die Einwohner, die so gar nicht dem südamerikanischen Typus entsprechen. Man könnte tatsächlich glauben, dass wir in einer japanischen Kleinstadt gelandet sind.





Cedric hat uns für den nächsten Morgen bei einem Bekannten zur Autowäsche angemeldet. Selbst er sieht die Notwendigkeit, unser Auto wieder vorzeigbar zu machen. Nach einem französischen Frühstück mit Croissants und Chocolatines stehen wir pünktlich um 8h30 bei der „Waschanlage“ (einem Grundstück mit einer Art Werkstattgrube für die Unterbodenreinigung), wo schon 3 Jungs mit Leitern, Schläuchen und Schwämmen auf uns warten. 2 Stunden soll es dauern. Auf die Minute pünktlich ist aller roter Staub und verkrusteter Dreck weg, und das PuCe sieht fast wie neu aus. Mit zwei SIM-Karten für Paraguay aus dem benachbarten Handyladen cruisen wir gemütlich nach Independencia; eine der drei großen deutschen Kolonien in Paraguay. Da wir schon mal „ums Eck“ sind, wollen wir natürlich die Eltern von einem Freund von Christian besuchen.







Anne und Pepe, mittlerweile in der dritten Generation Deutsch-Paraguayer, haben in dieser vom Zuckerrohranbau dominierten Gegend, über viele Jahrzehnte eine Ethanolfabrik betrieben, bevor diese durch die fallenden Rohölpreise, an die auch der Erlös des Ethanols gekoppelt ist, unrentabel geworden ist. Auf ihrem 30-Hektar-Grundstück betreiben sie nun eine kleine Rinderzucht und pflegen einen üppigen Obst- und Gemüsegarten, damit es in der Rente nicht langweilig wird.
Die beiden lassen uns teilhaben an ihrer eigenen Geschichte und an den vielen Geschichten und Geschichtchen der hiesigen „Alt-Deutschen“, wie sie sich selbst bezeichnen. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs hatte u.a. Paraguay zur Unterstützung des Aufbaus der eigenen Wirtschaft ein Programm aufgelegt, in dem es europäischen Einwandererfamilien jeweils 20 Hektar Land kostenfrei zugesagt hat (alleinstehende Einwanderer bekamen die Hälfte, 10 Hektar). Viele Deutsche haben dieses Angebot angenommen und sind aus dem kriegsverheerten Europa nach Südamerika gekommen, um für sich und ihre Familien eine neue Zukunft fernab der Irren und Wirren im Nachkriegsdeutschland aufzubauen. So auch 1919 die Vorfahren von Anne und Pepe.
Wir erfahren im Laufe der nächsten Tage viel über den weitläufigen 27.000-Seelen-Ort, der umgangssprachlich nur als „die Kolonie“ bezeichnet wird und 1919 von Winzern aus Baden gegründet wurde. Die Geschichte der Familien, die während der vergangenen gut 100 Jahre hier zusammen gelebt, in die deutsche Schule gegangen und ihr Kulturgut z.B. im deutschen Sportverein gepflegt haben. Ihrer eigenen Herkunft sehr bewusst haben es die „Alt-Deutschen“ dennoch geschafft, sich in Paraguay voll zu integrieren. Die meisten sprechen neben Spanisch auch die zweite Amtssprache: das indigene Guaraní und bekleiden viele ehrenamtliche und öffentliche Ämter im Gemeinwesen.
Vor allem ist Pepe jedoch ein wandelndes Lexikon, was die hiesige Landwirtschaft im Allgemeinen und den Zuckerrohranbau im Besonderen betrifft. Auf ausgedehnten Fahrten in der Gegend um Independencia erklärt er uns nimmermüde und auf hochinteressante Weise die Geheimnisse von Anbau, Pflege, Ernte, Transport und Verarbeitung der Pflanzen mit ihrem süßen Saft.
Gleich gegenüber – bei der Größe der Gehöfte (mindestens 20ha und meist sehr, sehr viel mehr) ist „gleich gegenüber“ ein relativer Begriff – also gleich gegenüber bei Annes Cousin Edgar, werden wir in die Wissenschaft der Geflügelzucht eingeweiht. Während unseres Besuches wachsen gerade 35.000 kleine, 9 Tage alte Küken heran, um dann nach etwa 42 Tagen schlachtreif die riesige Halle zu verlassen. Eine zweite ist gerade im Bau, sodass Edgar dann rein rechnerisch 50.000 Hühner pro Monat verkaufen kann. Zum Schutz vor allerlei Keimen, v.a. die der Vogelgrippe, desinfizieren wir uns und dürfen mitten hinein ins Geschehen. In einem wohltemperierten Klima tippeln Hunderte der noch kleinen, piependen, gelben Federbälle um unsere Beine herum.
Und genau hier lernen wir auch eine weitere Besonderheit kennen: die der Kooperative; die deutsche Übersetzung Genossenschaft trifft es allerdings nicht ganz.
Die paraguayischen Kooperativen könnte man auch als selbst organisierte Nachbarschaftshilfe auf Steroiden bezeichnen. Nicht nur, dass das Know-How, die Lieferung von Saatgut, Jungtieren und Futtermittel nebst Transport, Vermarktung und Verkauf organisiert werden. Daneben fungieren diese Kooperativen auch als Banken, die die benötigten Rohstoffe meist deutlich unter und Einlagenzinsen weit über den marktüblichen Konditionen anbieten können; nach dem Motto: „nur in der Gemeinschaft sind wir stark“.
Auf dem nahen, idyllisch gelegenen Waldfriedhof wird uns mal wieder bewusst, wie gut es uns allen heute geht. Aufgrund der Abgeschiedenheit (auch heute muss man für die knapp 200km von Independencia in die Hauptstadt Asunción mit 4 Stunden Fahrzeit rechnen) und den nur unzureichenden medizinischen Versorgungsmöglichkeiten war als eine der Folgen die Kindersterblichkeit bis noch vor wenigen Jahrzehnten sehr hoch. Fast jede Familie musste mit einem solchen Schicksalsschlag fertig werden. Inmitten der Gräber auf deren Grabsteinen alte, deutsche Familiennamen gemeißelt sind, finden sich daher auch viele kleine letzte Ruhestätten.



















Und was ist jetzt mit den „Neu-Deutschen“? Über die Immigrationswelle nach dem zweiten Weltkrieg konnten wir wenig in Erfahrung bringen, da diese Zugezogenen zumeist stark isoliert unter sich geblieben sind oder versucht haben, sich mit einer neuen Identität unters Volk zu mischen und zu integrieren, um bloß nicht aufzufallen.
Neben Indepedencia ist die Colonia Hohenau im Südosten des Landes während und nach der Corona-Pandemie insbesondere für Impfgegner, Querdenker, Reichsbürger und andere Deutschland-Kritische sehr stark in den Fokus gerückt. In den Jahren 2020 und 2021 erlebten die Orte einen massiven Zustrom, ca. 1000 Deutsche immigrierten auf der Suche nach dem gelobten Land (Hohenau hat insgesamt nur 15.000 Einwohner). Aber auch bei diesem Thema sind unsere Informationen nur spärlich, weil sich die neue Generation der Einwanderer hauptsächlich unter sich bewegt. Wir sind trotzdem neugierig und fragen jeden, den wir dazu erwischen können.
Kurz gesagt, scheinen die meisten „Neu-Deutschen“ mit der Situation in ihrem Heimatland nicht mehr zufrieden zu sein.
Nun ist es so, dass auch in Paraguay das Manna nicht vom Himmel fällt und die nun berechtigte oder unberechtigte Wut auf Deutschland sich ganz schnell auch auf Paraguay ausweitet. Meist aufgrund mangelnder Vorbereitung vor der endgültigen Abreise aus Deutschland, haben viele die Schwierigkeiten völlig unterschätzt, in einem fremden Land mit einer fremden Sprache Fuß zu fassen. Und da wundert es nicht, dass jetzt – nach drei bis vier Jahren – viele Ersparnisse aufgebraucht sind und sich eine Rückreisewelle gen Deutschland aufbaut. Scheint dann am Ende doch gar nicht so schlecht zu sein, das Deutschland.
Es gibt aber auch erfrischende Beispiele, wie es funktionieren kann. Cedric in der Colonia Yguazú oder Helmut in Hohenau, der seit gut 4 Jahren einen Taxifahrdienst betreibt (mit ihm fahren wir noch zur Mate-Fabrik Selecta am Ortsrand von Obligado).
Wir brechen nach zwei Tagen herzlicher Gastfreundschaft bei Anne und Pepe mit einem viel klareren Bild von Paraguay nach Hohenau auf, in dessen Umgebung gut erhaltene und restaurierte Jesuitenmissionen, sogenannte Reduktionen, zu besichtigen sind.

Doch bevor wir dort ankommen, hat uns Cedric empfohlen, in La Paz einen kurzen Stopp einzulegen. La Paz ist neben Colonia Yguazú eine weitere japanische Auswandererkolonie, in die die Einwohner ein bisschen Heimat mit nach Südamerika verpflanzt haben. Und zwar im buchstäblichen Sinne: eine große Parkanlage mit japanischen Kirschbäumen.
Leider sind wir genau eine Woche zu spät dran. Die rosa Kirschblütenpracht ist leider schon verwelkt. Bei unserem Spaziergang durch den Hain flitzen Gruppen mit freundlichen japanischen Frauen und Männern über den Rasen (schon witzig, wenn Original-Japaner in perfektem Spanisch miteinander reden) und spielen zum Zeitvertreib eine Mischung aus Golf und Krocket. Dabei wird auf uns allerdings keine Rücksicht genommen; die schweren Holzkugeln rollen mehr als einmal nur knapp an unseren Knöcheln vorbei. Und weil die grünen Bäume eben nur grün und nicht rosa sind, machen wir uns wieder auf den Weg.




Ab 1610 errichtete der Jesuitenorden im spanischen Vizekönigreich Peru links und rechts des Río Paraná mehrere dieser Reduktionen. Zwei davon nehmen wir uns vor: die Misión Jesuitica de la Santísima Trinidad (die heiligste Dreifaltigkeit) und die der Guaraníes de Jesús de Tavarangüe.
Das eigentliche Ziel, der von den Jesuiten geschaffenen Siedlungen war die christliche Missionierung der indigenen Guaraní aber auch deren Schutz vor der Ausbeutung durch die weiße Oberschicht und vor Übergriffen von portugiesischen Sklavenjägern, den sog. Bandeirantes. Die hatten es auf die gut ausgebildeten Indianer abgesehen, um sie teurer auf den Sklavenmärkten zu verkaufen.
In den Reduktionen konnten die Guaraní unabhängig von den spanischen oder portugiesischen Kolonialherren in relativer Sicherheit leben und von den vielseitig gelehrten Jesuitenpadres eine Ausbildung genießen, um auf das spätere Leben nach den Grundsätzen des christlichen Menschenbildes vorbereitet zu sein (ob das wohl wirklich alle so freiwillig mitgemacht haben?). Um diese Sicherheit aber zu gewährleisten, erlaubten die Jesuiten ab 1641 den Guaraní, sich zu bewaffnen, um so die Reduktionen und die dazugehörigen Ländereien schützen zu können.
Und genau diese Tatsache war vor allem dem spanischen König im fernen Europa ein Dorn im Auge; denn das Gewaltmonopol lag bitteschön immer noch bei der Kolonialmacht und nicht bei einer insgesamt mehrere tausend Mann starken Gottesarmee von Eingeborenen, die sich auch noch jedweder Kontrolle des Königs und damit der Entgehung der geforderten Abgaben an die Krone zu entziehen versuchte, zumal die Kolonisten diese Reduktionen noch nicht mal betreten durften. Nur die Jesuiten selbst, die dort lebenden Guaraní und geladene Gäste konnten über die Türschwelle treten; für alle anderen hieß es: „wir müssen draußen bleiben“.
Also kurzerhand beim Papst intrigiert und mit allerlei fadenscheinigen und an den Haaren herbeigezogenen Beweisen die Jesuiten verbieten lassen. Die portugiesischen und französischen Könige waren aus Machtstreben in ihren eigenen Kolonien gleich mit von der Partie. So geschehen im Jahre 1773.
Der Spanier König Carlos III hat schonmal vorweg im Jahr 1767 Nägel mit Köpfen gemacht und den Orden aus den spanischen Herrschaftsgebieten inkl. der Überseekolonien vertrieben (der Besitz ist natürlich an die Krone gefallen).
Ohne einen ordnenden Hausherrn verfielen die Reduktionen dann im Laufe der nächsten 300 Jahre, bevor in den 1990er Jahren starke Initiativen zur Erhaltung und teilweisen Restauration ins Leben gerufen wurden.
Das Ergebnis dieser Bemühungen sehen wir jetzt vor uns. Beim Wandeln über die weitläufigen Gelände, Obst- und Gemüsegärten, durch die ehemaligen Schulräume und Werkgebäude, Kreuzgänge und Kirchenskelette umweht uns ein Hauch seiner ehemaligen Bewohner. Ganz stark empfanden wir dies während der spektakulären Nachtführung durch die Santísima Trinidad. Geschickt verteilte Scheinwerfer lassen die Ruinen in einem magischen Lichtzauber erscheinen. Dazu spielt klassische Musik leise im Hintergrund aus Lautsprechern, die überall verteilt sind. Fledermäuse schwirren durch die Gemäuer und Eulen beobachten uns von den Säulen herab. Ein wirklich ergreifendes Erlebnis!
Das nur ein paar Kilometer entfernte Hohenau, das sich selbst als La Captial de los Immigrantes, also als Hauptstadt der Einwanderer, bezeichnet, bietet eine wenig touristische Kulisse. Und trotzdem bleiben wir ein paar Tage auf dem entspannten Campingplatz Parque Manantial der Familie Pretzel. Wir genießen das herrlich warme Sonnenwetter am Pool (weiter südlich herrschen Wintertemperaturen), machen Ausflüge in die Stadt zu einem Torten-Café (leider haben sowohl die typisch deutsche Curry-Wurst-Pommes-Bude als auch der deutsche Metzger geschlossen), beginnen mit der Vorbereitung der notwendigen Papiere für die Rückverschiffung unseres PuCe, johlen mit den anderen Campingplatz-Gästen auf der Pritsche des 60 Jahre alten Mercedes-LKWs bei einer Spaßfahrt durch Wald und Fluss des riesigen Parks und besuchen zum Abschluss noch die Yerba-Mate-Fabrik des Familienunternehmens Selecta.















Wichtig: es heißt nicht „Mate-Tee“ (darauf steht als Mindeststrafe die Ausweisung außer Landes oder sogar noch Schlimmeres). Korrekt ist „Yerba-Mate“ oder einfach nur „Mate“.
Wir bekommen den ganzen Prozess der Mate-Herstellung während einer spannenden Führung erklärt. Von der Anzucht der Sämlinge, Pflanzung der Mate-Bäume auf den Plantagen über die arbeitsintensive, weil manuelle Ernte (Maschinen haben bei der Ernte der Blätter und feinen Äste keinen Vorteil) bis hin zu dem als Betriebsgeheimnis wohl gehüteten Prozesses des Trocknens, Lagerns und Veredeln des Mate-Krauts.
Selbst das Labor zur Qualitätsüberwachung aller Prozessschritte ist vor uns nicht sicher. Wir dürfen zusehen, wie die frisch gelieferten Blätter-Büschel durch eine mit Eukalyptus-Holz betriebene Trocknungsanlage geschleust werden (das dauert etwa 2 Stunden), danach gemahlen und für mindestens 1 Jahr – besser 2 Jahre – in Säcken abgefüllt zur Reifung in große luftdicht isolierte Lagerhäuser verfrachtet werden. Den Abschluss bildet eine umfangreiche Verkostung der verschiedenen Mate-Sorten in der firmeneigenen Mate-Bar.









Nach diesen lehrreichen und schönen Tagen in Paraguay, nach tollen Begegnungen mit gastfreundlichen und wundervollen Menschen entlang unseres Weges verlassen wir das Land auf einem Schleichweg. Ursprünglich wollten wir der Hauptstraße folgen und bei Encarnación hinüber in das argentinische Posadas wechseln. Doch aufgrund der immerwährenden Staus vor der Brücke und den langen Wartezeiten am Grenzfluss Río Paraná (hier soll es ähnlich zugehen wie zwischen Foz do Iguaçu und Ciudad del Este), haben uns die ortskundigen Schweizer Renate und Bruno einen wenig bekannten und benutzten Grenzübergang ganz in der Nähe empfohlen.
Wir sind sehr froh über unseren Besuch und die Erlebnisse in dem Binnenstaat im Herzen Südamerikas zwischen Bolivien, Brasilien und Argentinien.
Vielen Dank für die vielen interessanten Berichte und vor allem für die Hintergrundinformationen. Ich habe jetzt einen viel umfassenderen Eindruck von Südamerika gewonnen. L.G. Elisabeth