Von Frey Bentos zur Península Valdés


Pampa und Papageien

Nach der Führung durch die ehemalige Fleischextraktfabrik in Fray Bentos wird es Zeit, Uruguay für den Moment zu verlassen. Kurz vor der Brücke über den Rio Uruguay hinüber nach Argentinien müssen wir am gemeinsamen Grenzposten aus Uruguay aus- und in Argentinien einreisen.

Wir werden von wirklich freundlichen Zöllnern durch das nicht leicht durchschaubare Prozedere geleitet. So geht es wieder einmal von Container zu Container (!), hier die Ausreisestempel und dort die Einreisestempel. Erst für uns selbst und dann auch noch für das Auto. Wird nämlich von separatem Personal abgewickelt! Bevor wir den endgültigen Freistempel erhalten, erfolgt noch eine „Hausdurchsuchung“ von einer netten Beamtin der argentinischen Gesundheitsbehörde. Nach was genau gesucht wird, wird für immer ihr Geheimnis bleiben. Aber nach einer kurzen Kühlschrankinspektion geht der „Daumen hoch“.

Bienvenido a Argentina!

Ab jetzt haben wir für 3 Monate Aufenthaltsgenehmigung. Wir bekommen noch erklärt, dass mit jedem Grenzübertritt, z.B. von Argentinien nach Chile und zurück nach Argentinien, die Frist erneuert wird. Reicht für uns. Das nächste Hin-und-Her wird kurz vor Feuerland sein. Schaffen wir.

In der Fray Bentos gegenüberliegenden Stadt mit dem nur schwer aussprechbaren Namen Gualeguaychú bunkern wir Diesel, Lebensmittelvorräte und tauschen am Straßenrand Bargeld. Die nächsten vielen hundert Kilometer führen uns am Großraum Buenos Aires vorbei Richtung Süden durch weitläufige Pampalandschaften an den Atlantik. Viel Spannendes gibt es davon nicht zu berichten. Riesige Getreidefelder wechseln sich mit noch riesigeren Rinderweiden ab.
Unsere Rangliste der Sichtungen:
Rinder, Schafe, Pferde, Bussarde, Störche…ach ja: Nandus (flugunfähiger Vogel, ähnlich einem afrikanischen Vogel Strauß).

noch weit bis Ushuaia

Alle paar Kilometer stehen am Straßenrand kleine rote Schreine mit Fahnen dekoriert. Meist befindet sich noch eine Figur darin. Damit wird ein populärer argentinischer Volksheiliger, nämlich „Gauchito Gil“ (kleiner Gaucho Gil), verehrt und um eine sichere Reise gebeten (dazu beim Vorbeifahren kurz hupen). Er ist zwar von der katholischen Kirche nie anerkannt worden, gilt aber unter den Argentiniern als Schutzpatron für Auto-, Bus- und Lastwagenfahrer. Neben unserem kleinen Magneten mit dem heiligen Christophorus kommt also noch der Schutz von Gaucho Gil mit an Bord. Als richtiger Gaucho benötigt Gil natürlich Schnaps, Zigaretten und Wasser…diese Gaben werden von den Vorbeifahrenden in den Häuschen abgelegt.

Das Örtchen Las Flores bzw. der Campingplatz dort im Park war eigentlich nur als Übernachtungsstopp eingeplant. Doch am kleinen See entdecken wir plötzlich carpinchos. Wasserschweine. Diese gehören zur Familie der Meerschweinchen, sind aber so groß wie unsere Hausschweine. Einige grasen am Ufer, während ihre Kumpels im Wasser dösen. Die Einheimischen, vor allem die Kinder, können gar nicht verstehen, warum wir so viele Fotos von den possierlichen Tieren machen. Sind doch bloß carpinchos…wir freuen uns über diese Neuentdeckung. Am Abend lernen wir noch eine Familie aus dem Ort kennen, die heute den Geburtstag des Sohnes mit einer Grillparty feiert. Dazu wird ein ganzes Lamm flach auf einem Gestell ausgebreitet (eine sogenannte Estaca) und neben dem offenen Feuer ganz langsam geschmort. Zusätzlich liegt auch noch ein halbes Spanferkel auf dem Grill. Auf unsere Frage, für wie viele Personen sie denn planen würden, bekommen wir als Antwort, dass sie 1,5 bis 2 kg Fleisch pro Person rechnen würden. Also etwa 15 Personen. Das Ganze dauere 4 bis 5 Stunden; d.h. „Essen fertig“ gegen 23 Uhr. Bis dahin wird gefeiert, getrunken und Musik gemacht. Na dann, „feliz cumpleanos“ und guten Appetit!

Den ersten unserer Aufkleber, die wir für die Reise entworfen und drucken haben lassen, kleben wir an einem weiteren Nachtlager, am Cascada Cifuentes (Cifuentes Wasserfall), an ein dort aufgestelltes Schild neben viele andere Tourensticker. Wer kann ihn auf dem Foto finden?

Wir wollten es anfangs nicht glauben, als uns Argentinien-erfahrene Reisende von den langen geraden Überlandstraßen berichteten. Doch tatsächlich gibt es Streckenabschnitte auf der Ruta 3 mit fast hundert Kilometern ohne eine einzige Kurve! Da ist man wirklich froh, wenn man dann mal zur Abwechslung das Lenkrad etwas bewegen darf. Generell fahren wir hier sehr entspannt. Kein Mensch reagiert genervt über unser Dahinzotteln. Im Gegenteil, wir werden dauernd freundlich von uns entgegenkommenden oder uns überholenden Autos und LKWs gegrüßt.

In Bahia Blanca machen wir einen ungeplanten Halt. Unser Plan war, so schnell wie möglich durch diese wenig ansehnliche Industrie- und Hafenstadt zu fahren. Christian macht aber schon etwas länger unsere Motor-Aus-Funktion (bzw. Nicht-Funktion) Sorge. Nur mit Mühe kommt der nötige Luftdruck zustande, um den Motor tatsächlich zum Stehen zu bekommen. Wir fahren bei einer Mercedes-Benz-LKW-Werkstatt vor, die uns aber wegen vollem Terminkalender zum benachbarten Bosch-Kundendienst weiterschickt. Der dortige Chef meint jedoch, dass wir bei seinem Kumpel zwei, drei Straßen weiter mit unserem Problem besser aufgehoben wären. Also am nächsten Morgen zum Kumpel Claudio Ilz und seiner Hinterhofwerkstatt (noch nicht mal ein Name stand auf dem Gebäude), wo auch tatsächlich ruck-zuck das defekte Teil identifiziert wurde. Und noch besser: nach ein paar Telefonaten und weiteren drei Stunden Wartezeit, war ein Ersatzteil beschafft und eingebaut. Überglücklich zahlen wir die Rechnung und fahren freudestrahlend weiter nach El Cóndor. Me saco mon sombrero vor diesen Mechanikern.

In El Cóndor lebt eine der weltweit größten Felsensittich-Kolonien mit ca. 100.000 Vögeln. Die Papageien haben ihre Höhlen in die Felswände der Steilküste gegraben; diese Gänge können bis zu 4 m lang sein. Uns fällt auf, dass sie meistens paarweise unterwegs sind. Die Paare bleiben wohl ihr ganzes Leben zusammen, an die 30 Jahre.

Es schnattert und kreischt den ganzen Tag über unseren Köpfen. Zum Sonnenuntergang kommt dann die große Flugshow. Erst sitzen plötzlich unzählige der Tierchen auf den Stromkabeln entlang der Straße bevor sie sich mit imposanten Sturzflügen über den Klippenrand nach unten zu ihren Nistplätzen stürzen. Anscheinend eine kleine Abendbelustigung bevor dann nach Sonnenuntergang Ruhe einkehrt. Im Morgengrauen geht das typische Gekrächze wieder los. Wir sind hin und weg und versuchen (meist vergeblich) Fotos zu machen. Die Flugkünstler sind einfach zu schnell für uns.

Ebenfalls in El Cóndor befindet sich das Monumento „Las Malvinas“ auf den Felsklippen. Es erinnert an den Krieg zwischen Argentinien und Großbritannien 1982 um die Falklandinseln (Malvinen), den Großbritannien für sich entschieden hat. Fast tausend Menschenleben sind für diesen unnötigen Konflikt geopfert worden. Für patriotische Argentinier gehören die Malvinas nämlich immer noch zu Argentinien. Punkt. Da gibt´s auch gar keine Diskussion. Und genau dort treffen wir wieder auf unsere nette Hamburger-Hafen-Bekanntschaft aus der Schweiz von Anfang Oktober. Peter und Marlies. Die Freude ist groß. Erste Eindrücke, Erfahrungen und weitere Pläne werden ausgetauscht. Bestimmt sehen wir uns im weiteren Verlauf unserer Reise nochmal wieder. Bis dahin: „Uf Wiederluege“.

Nicht weit entfernt, in La Lobería gibt es eine riesige Robbenkolonie. Vor Ort erklärt uns der freundliche Campingplatzbesitzer allerdings, dass der Strand für Besucher gerade gesperrt sei. Vor ein paar Wochen gab es einen großen Ausbruch der Vogelgrippe H5N1 an der Küste Argentiniens, der auch auf die Meeressäuger übergesprungen ist. Ca. 900 Tiere seien in der Gegend um La Lobería leider daran gestorben und es Bedarf noch einige Zeit bis das Meer alle Kadaver weggeschwemmt hat. Für das kleine Schutzgebiet eine Katastrophe. Auch dass die Touristen wegbleiben – aber die Natur geht vor. Es soll auf jeden Fall verhindert werden, dass der Vogelgrippe-Virus auf die Menschen übergeht. So verbringen wir einen entspannten Sonnennachmittag auf dem Campingplatz und entdecken andere reizende Tierchen….Christian hat sich zum Vogelspinnen-Spotter entwickelt. Angeblich sind die Großen ungefährlich. Keine Sorge, ist nicht unser Arm.

Den ersten Advent verbringen wir bei Sonnenschein am Meer im Badeort Las Grutas (die Grotten). Und natürlich ganz traditionell mit Adventskerze, Wichtel-Adventskalender und mit von daheim mitgebrachten Lebkuchen. Jetzt ist es nicht mehr weit zu den Pinguinen auf der Halbinsel Valdés.

1 Kommentar zu „Von Frey Bentos zur Península Valdés“

  1. Hans und Elisabeth

    Tolle Bilder. Hoffentlich habt ihr dem Gauchito ein paar Zigaretten dagelassen. Aufkleber oben links von der Mitte. Weiterhin gute Fahrt und viele Grüße aus dem verschneiten Deutschland.
    Euere Herzis

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