Foz do Iguaçu

Wasser, Wasser und Wasser

Mit jedem Kilometer näher an Foz heran wird die Landschaft wieder reizvoller. Gepflegte Städtchen und kleine Gehöfte säumen unsere Strecke. Völlig unerwartet trifft uns, dass Foz do Iguaçu keine behagliche Kleinstadt im Dreiländereck Brasilien-Argentinien-Paraguay ist, sondern eine fast 300.000 Einwohner zählende Großstadt.
Bis zum Bau des heute drittgrößten Wasserkraftwerkes der Welt (dem Itaipu-Binacional) führte Foz ein eher beschauliches Dasein als kleiner Grenzposten zwischen den drei Ländern. Erst in den 1980er Jahren, während des Baus und nach Fertigstellung des Staudamms und der Gründung einer Freihandelszone in Ciudad del Este auf der paraguayischen Seite des Paraná-Flusses schoss die Bevölkerungszahl in die Höhe. Viele Brasilianer nutzen am Wochenende und während der Schulferien die Gelegenheit zu einer günstigen Shoppingtour über die grüne Grenze in Ciudad del Este. Auf uns wirkt das alles ein bisschen wie „Klein-Las-Vegas“. Casinos, Showpaläste, Einkaufszentren wohin man blickt.

Doch unser erster Weg führt zu dem riesigen Wasserkraftwerk Itaipú Binacional. „Itaipú“ bedeutet in Guaraní, neben Spanisch eine der beiden Amtssprachen Paraguays, „Stein, der singt“. Bei dem Gebrumme, das von dem Kraftwerk weithin hörbar ausgeht, eine treffende Bezeichnung. Und „Binacional“, weil zwei Nationen an diesem gigantischen Projekt zu jeweils genau 50% beteiligt sind, nämlich Brasilien und Paraguay. Dazu kommt, dass die Grenze der beiden Nationen exakt in der Mitte des Staudamms im jetzt aufgestauten Grenzfluss Río Paraná verläuft.

Wir haben uns für die große Führung angemeldet. Und nachdem wir die einzigen nicht-portugiesisch-sprachigen Gäste in unserer Gruppe sind, erhalten wir einen Privatführer, der uns die Tour in Englisch erklärt…wir sind begeistert. Hätten wir doch sonst nur Bruchstücke verstanden.
Bei einem Spaziergang auf dem Staudamm bekommen wir einen ersten Eindruck von den gewaltigen Dimensionen dieses Bauwerkes. Nach nur 10 Jahren mit bis zu 34.000 Arbeitern gleichzeitig auf der Baustelle, wurde das Kraftwerk 1984 in Betrieb genommen. Mit seinen 14 GigaWatt Nennleistung war es bis zur Fertigstellung der Drei-Schluchten-Talsperre in China im Jahr 2006 das leistungsstärkste Wasserkraftwerk der Welt. Dazu rauschen im Durchschnitt mehr als 10.000 m³ Wasser pro Sekunde (!) durch die Rohre. Über die folgenden Zeit nach der Inbetriebnahme gingen sukzessive zwei bis drei Turbinen pro Jahr ans Netz. Heute laufen bei Volllast 18 dieser monströsen Maschinen und produzieren Strom, der dem Binacional-Vertrag entsprechend hälftig zwischen den beiden Ländern aufgeteilt wird.

In Spitzenzeiten kann Itaipú den landesweiten Strombedarf Paraguays bis zu 75% und den Brasiliens zu 16% decken.

Da ein Großteil der auf paraguayischer Seite produzierten elektrischen Energie nach Brasilien exportiert wird (die brauchen einfach mehr Strom und es gibt gutes Geld dafür), galt es, eine kleine technische Herausforderung zu meistern: für Paraguay produzieren die Generatoren den Drehstrom, genauso wie wir es in Deutschland kennen, mit einer Frequenz von 50 Hertz. Wohingegen das brasilianische Netz mit 60 Hertz arbeitet. Dafür muss der Strom aus Paraguay erst in Gleichstrom umgewandelt und anschließend über Hochspannungsleitungen über 850km weit nach São Paulo transportiert werden, wo er auf 60 Hertz umgewandelt wird. Was für ein Unterfangen; nur weil die weltweiten Stromnetze (immer noch) nicht synchronisiert sind.

All das erläutert uns unser Guide auf dem Weg hinein in die Tiefen des Betonmonsters. Fast ganz unten kurz vor dem Flussbett kommen wir ganz nah ans Zentrum der Anlage heran. Aufgrund des ohrenbetäubenden Lärms ist der Aufenthalt nur wenige Meter vor den sich drehenden Wellen zwischen den Turbinen und Generatoren nur für wenige Minuten erlaubt. Imposant ist es allemal, zumal die Turbinen aus Heidelberg kommen :-)!
Und noch einen Blick bekommt nicht jeder zu sehen: durch eine große Fensterfront beobachten wir die Mitarbeiter bei ihrer Arbeit in dem Leitstand, der uns ein bisschen an das NASA-Mission-Control in Houston erinnert. Auch hier stammt das Personal hälftig aus Paraguay und Brasilien. Nur die Nationalität des Schichtleiters wechselt von einer 6-Stunden-Schicht zur nächsten.

Vor dem Ende der Tour bestaunen wir noch einmal den Staudamm in seiner Gesamtheit von einer Aussichtsplattform etwas weiter entfernt. Wie sonst könnte man die fast 8km Kronenlänge und 200m Höhe der Staumauer mit einem Blick erfassen…gewaltig.

Durch die wuselige Innenstadt von Foz bahnen wir uns unseren Weg zu einem Campingplatz in Laufweite zu den berühmten Wasserfällen. Doch das Wetter will nicht so richtig mitspielen. Die nächsten 2 Tage wettern wir mal wieder ab. Wäre doch wirklich schade, bei Regen und grauem Schietewetter dieses einzigartige Naturspektakel besuchen zu müssen.


Da warten wir lieber auf Sonnenschein und gehen zwischendurch in einer Regenpause in den Vogelpark (Parque das Aves) mit seinen flatternden, schillernden und krächzenden Bewohnern unweit des Campingplatzes. Im saftig grünen Dschungel verstecken sich natürlich auch einige Reptilien.

Und damit die Stimmung auch weiterhin gut bleibt, verwöhnen wir uns am Sonntag (Montag soll die Sonne wieder scheinen) in einer typisch brasilianischen Churrasqueira, in Deutschland Rodizio-Restaurant genannt. Eigentlich findet man in fast jedem Ort ein auf Churrasco – also Grillfleisch – spezialisiertes Lokal. Meist einfach eingerichtet zaubern die Grillmeister aber Fleischspezialitäten, bei denen einem das Wasser im Mund zusammenläuft.
Im Bufalo Branco, im Zentrum von Foz do Iguacu, wollen wir mal so richtig eintauchen in diese Tradition. Zu einem Festpreis dürfen wir, so lange und so viel wir wollen, schlemmen. Der Trick: bloß nicht zu viel vom üppigen Beilagen Büffet naschen; d.h. Platz lassen für die Fleischspieße, die von den Profi-Grillern auf dem offenen Feuer zubereitet und dann von den Kellnern frisch und tropfend durch das Restaurant getragen werden. Am Tisch wird für jeden Gast nach Wunsch ein entsprechendes Stück herunter geschnitten. Die Bandbreite ist riesig: von den etwas einfacheren Hühnchenschlegeln, über pikante Chorrizos zu den edleren Sorten, wie Lammfilets oder das Fleisch vom Höcker der Zebu-Rinder, Contra-Filés und – unser Favorit – Picanha.
Man darf auch mal ein Angebot ausschlagen, um den nächsten Spieß (vielleicht mit einem hochwertigeren Stück) abzuwarten. Was für ein Erlebnis! Unser Fleischbedarf für die nächsten Tage ist jedenfalls gedeckt. Da tut der Spaziergang danach richtig gut.

So, jetzt aber ab zu der Sehenswürdigkeit schlechthin. Wie vorausgesagt, verziehen sich die Regenwolken und wir machen uns auf den kurzen Fußweg zum Besucherzentrum der Iguazu-Wasserfälle. Gegen halb neun besteigen wir den Shuttle-Bus. Es sind noch 11 Kilometer bis zu den eigentlichen Fällen durch ein dichtes Dschungel-Naturschutzgebiet, in dem neben den üblichen Bewohnern dieser Region unter anderem etwa 800 Schmetterlingsarten leben sollen. Auf dem Weg haben wir uns auf vielerlei Anraten noch schnell zwei Plastiktüten-Regenponchos beim Straßenhändler an der Ecke zugelegt. Wir werden sie noch brauchen!

Schonmal vorweg: der Rio Iguaçu war früher einmal ein Klarwasserfluss. Doch durch Erosion, die durch die Entwaldung Brasiliens ausgelöst wird, transportiert er inzwischen insbesondere bei hohem Wasserstand erhebliche Sedimentmengen. Die Folge ist eine auffällige Braunfärbung. Und Hochwasser hat es heute. Die starken Regenfälle der vergangenen Tage haben den Fluss derart anschwellen lassen, dass das Wasser nicht nur über die 20 Hauptfälle bis zu 80m in die Tiefe rauscht, sondern auch die 255 kleineren Nebenfälle entlang der gut 2,5km langen Abbruchkante brodelnde Fontänen speien.

Direkt nach dem Aussteigen am Startpunkt des Wanderweges entlang der Abbruchkante stülpen wir unsere Ponchos über. Die aufgewirbelte Gischt kommt von allen Seiten. Wir haben uns ganz bewusst für den Besuch der brasilianischen Seite entschieden; denn mit bestem Blick auf die tosenden Fluten auf der gegenüberliegenden, argentinischen Flussseite spazieren wir staunend und ergriffen von einem magischen Aussichtspunkt zum nächsten. So früh am Tag sind nur wenige andere Touristen unterwegs und wir stehen zumeist alleine vor den schönsten Fotomotiven.

Je weiter wir zum U-förmigen Hauptwasserfallsystem, umgangssprachlich Garganta do Diabo oder „Teufelsschlund“ genannt, vordringen, desto nasser werden wir. Es ist schon schwer genug, die Kameralinsen einigermaßen trocken zu halten, von uns ganz zu schweigen. Der lange Steg zum unteren Ende dieser Schlucht ist aufgrund des hohen Wasserstandes stellenweise überspült und daher aus Sicherheitsgründen für uns heute gesperrt. Trotzdem ist der Anblick auch vom Rand gigantisch!! Jetzt verstehen wir auch, warum die UNESCO diese Wasserfälle 2011 in die Weltnaturerbe-Liste aufgenommen hat.

Überwältigt von der enormen Kraft und dem Gebrüll der Wassermassen versuchen wir uns, (mehr schlecht als recht) im kleinen Café am Ende des Weges wieder trockenzulegen. Da hilft nur eine warme Dusche. Also zurück zum Campingplatz und zu einer heißen Tasse Tee.

Aufgewärmt machen wir uns am Nachmittag erneut auf, die Fälle zu besichtigen. Diesmal allerdings von oben. Direkt vor der „Haustür“ starten die Helikopter für die Sightseeing-Flüge über die Cataratas und wir dürfen dabei sein! Aus der Vogelperspektive bekommen wir nochmal einen Eindruck, wie groß und gewaltig dieses Naturschauspiel tatsächlich ist.

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