Pantanal und Bonito


Tropische Entspannung und fabelhafte Tierwelt

Am 16. Juni sind wir bei Puerto Quijarro über die Grenze ins brasilianische Corumbá gefahren. Der angedrohte Generalstreik ab dem 17. Juni ist dann letztendlich doch noch abgesagt worden; allerdings wollten wir uns dem Risiko, für unbestimmte Zeit in Bolivien festzuhängen, nicht aussetzen.

Hier passieren scheinbar wenige Touristen aus Europa den Grenzposten. Für die Einwohner des MERCOSUR-Verbundes, in dem die Mehrheit der südamerikanischen Länder in einer Art angestrebten Freihandelszone verbunden ist, gibt es keine Einschränkungen beim Grenzübertritt; fast schon eine grüne Grenze. Wahrscheinlich fehlt den Beamten die Routine bei der Abwicklung von (europäischen) Ausländern.

Die Formalitäten haben – auch wegen mangelnder Portugiesisch Kenntnissen unsererseits – etwas länger als sonst gedauert. Aber am Ende stehen wir lächelnd mit den notwendigen Stempeln in den Pässen und auf den Fahrzeugpapieren auf brasilianischem Boden. Nur wenige Kilometer weiter empfängt uns Corumbá.

Schon mal vorab: in Brasilien geht vieles viel einfacher als in den vergangenen Wochen in Bolivien. Gefüllte Tankstellen, gut sortierte Supermärkte und kaum Müll am Straßenrand. Wir lassen uns erleichtert in das Abenteuer Brasilien fallen.
Nur dem Pisco Sour müssen wir abschwören. Ab jetzt gibt es Caipirinhas. Das Wetter ist toll. Was wollen wir mehr?

Und warum sind wir eigentlich in dieser Region? Corumbá fungiert als das westliche Einfallstor zum sogenannten Pantanal.
Das Pantanal ist das größte Binnenland-Feuchtgebiet der Erde (von portugiesisch pântano = Sumpf). Das Sumpfgebiet ist fast halb so groß wie Deutschland und liegt hauptsächlich in Brasilien, während etwa ein Drittel zu Bolivien und Paraguay gehört. Bis zu sechs Monate im Jahr steht das Gebiet völlig unter Wasser und dient als wichtiger Rückzugsort für zahlreiche Tiere und Pflanzen. Das Binnendelta wird von vielen mäanderartigen Flüssen durchzogen, welche die Flussniederung in der Regenzeit und bei Hochwasser des Rio Paraguay zum Großteil überschwemmen; die gesamte Fläche umfasst dann fast 210.000 Quadratkilometer.
Trotz der aktuell herrschenden Trockenzeit ist die Luftfeuchtigkeit immer noch sehr hoch. Wir schwitzen schon beim Sitzen.

Als Teil des Pantanal Conservation Complex wurde das artenreiche Feuchtbiotop unter Naturschutz gestellt und im Jahr 2000 zum Weltnaturerbe durch die UNESCO erklärt. Dennoch ist sein Erhalt durch menschliche Aktivitäten wie Rinderzucht, Landwirtschaft (inkl. Brandrodung), sowie durch Industrialisierung und den Kleinbergbau akut gefährdet.
Und genau das sehen wir leider in „live“. Es brennt an mehreren Stellen im Pantanal. Von offizieller Seite geht man von Brandstiftung aus. Noch sind die Feuer viele Kilometer weit weg von uns, und doch liegt ein leichter, typischer Lagerfeuergeruch in der Luft und wir sehen den Horizont, v.a. in den Abendstunden bei tiefstehender Sonne, verschleiert hinter dem rauchig-diesigen Vorhang.

Etwas weiter südöstlich ist die Luft wieder klar und wir mühen uns auf der Estrada Parque Pantanal über Stock und Stein und viele Holzbrücken, die die sumpfigen Auen überspannen hinein ins Naturparadies. Der ausgeschilderten Brückentraglast von 15 Tonnen müssen wir wohl vertrauen, denn unter uns im Wasser lauern Kaimane dicht an dicht gedrängt und freuen sich sicher schon auf einen Touristensnack.
Aber alles hält; obwohl die ein oder andere Bohle unter unseren fast 13 Tonnen schon bedenklich ächzt.

Bem vindo ao Brasil
Bei den Grenzformalitäten
Waldbrände am Horizont
Im Pantanal

Die nächsten Tage verbringen wir an Orten mit so tollen Namen, wie Pousada Santa Clara, wo wir Anja und Jan (Ferne Ziele) nach über 4 Monaten wieder treffen, der Pantanal Jungle Lodge und dem Refugio Canaã. In und um diese Oasen im südlichen Pantanal bekommen wir einen Eindruck der mannigfaltigen Flora und vor allem der Fauna in diesem einmaligen Juwel.
Imposante blaue, rote und gelbe Papageien wohnen und schnattern in den Bäumen um uns herum. Gehen (im wahrsten Sinne des Wortes) auf Futterstreifzüge direkt vor unseren Augen.
Riesenstörche suchen nach Fröschen…einige davon haben es vorgezogen, sicher vor ihren Räubern geschützt in den Toiletten der Campingplätze zu wohnen…also vor dem Hinsetzen immer erst mal nachschauen!

Kleine Affen bevölkern die Umgebung. Auf einer Bootstour am frühen Abend gibt sich sogar ein Jaguar die Ehre und lässt uns ob seiner Autorität ausstrahlenden Eleganz die Sprache verschlagen. Wasserschweine (hier Capibaras genannt; in Argentinien heißen sie ja Carpinchos) grasen am Flussufer immer in Habacht vor den hungrigen Kaimanen.
Allein wir wollen in dem Fluss nicht baden. Wir lassen anderen den Vortritt. Denn direkt am Ufer vor der Pantanal Jungle Lodge ziehen die Angler pfannengroße Piranhas aus dem Wasser. Kaum ist ein frischer Köder aufgehakt, baumelt schon so ein gefräßiger Fisch an der Leine.

Auf der Fazenda Iguassu bei Marc etwas außerhalb von Bonito schlendert ein Ameisenbär gemächlich über die Wiese vor dem Haus auf der Suche nach den kleinen Beutetieren. Wie kann man mit so kleinen Happen nur so groß werden? Ausgewachsen mit seinem buschigen Schwanz immerhin über 2 Meter lang fischt er mit seiner klebrigen Halbmeter-Zunge im Laufe eines Tages bzw. einer Nacht bis zu 35.000 (!) Ameisen und Termiten aus deren teils unterirdischen Bauten.

Mit Marc, der neben Portugiesisch und Spanisch auch fließend Englisch und Französisch spricht (seine Mama ist Französin) unternehmen wir ausgedehnte Spaziergänge über die Felder seiner „kleinen“ Farm. Vielleicht finden wir ja weitere Ameisenbären?
Leider ist der Fluss, der normalerweise über seine Ländereien fließt, jetzt im Winter trocken gefallen; der Klimawandel macht sich bemerkbar. Somit fällt Schwimmen im kühlenden Nass aus. Dafür pflücken wir reife Zitronen und sattgelbe Sternfrüchte direkt vom Baum (die Mangos brauchen noch ein paar Wochen) und bekommen Einsicht in die Zucht der hier vorherrschenden Zebu-Rinder mit ihren typischen Buckeln auf den Rücken. Augenscheinlich ist diese Rasse auf die brasilianischen Klimaverhältnisse bestens angepasst.

Apropos angepasst: nach den vergangenen vielen Wochen der Trockenheit in den Wüsten und Hochebenen in Chile, Argentinien und Bolivien umschwirren uns nun Mosquitos, die in dem feuchten Gebiet natürlich ganz herrlich gedeihen. Also müssen auch wir uns anpassen. In den Dämmerstunden wagen wir uns nur mit dick aufgetragenem Mückenschutz hinaus. Und trotzdem finden die kleinen Blutsauger immer wieder Wege, an den begehrten Saft zu kommen.

Das hält uns aber nicht davon ab, die milden Abende, z.B. in der Wohlfühl-Oase des Refugio Canaâ gemütlich im Kreise von „alten“ Reisebekannten bei gemeinsamen Abendessen, leckeren Caipis und angeregtem Info-Austausch draußen zu verbringen. Zwischenzeitlich wächst unsere Wagenburg auf 6 Fahrzeuge an, die uns während der vergangenen Monate immer mal wieder vor die Stoßstange gefahren sind. Allen gemeinsam ist der Bedarf nach Entspannung nach den jeweiligen Bolivien-Abenteuern.

Nur einen Jaguarsprung entfernt liegt Bonito, eine kleine Stadt, die sich wirtschaftlich auf zwei Säulen stützt: Landwirtschaft und Tourismus. In der Hochsaison (zur brasilianischen Ferienzeit) fallen hier tausende Naturliebhaber ein. Denn Bonito ist umgeben von wundersamen und wundervollen Orten, an denen die Natur ihre Kreativität ausprobiert hat.
Um einige davon zu besuchen, verlassen wir Marc und seine Fazienda Iguassu und verlegen unseren Stellplatz an den Stadtrand auf den Campingplatz Pé Na Jaca von Cesar und seiner Familie. Cesar ist wirklich eine Perle. Er bucht für uns zwei Ausflüge inklusive Transport dorthin.
Im Laufe der Tage bei ihm werden wir in die Familie aufgenommen, feiern den sechsten Geburtstag seiner Tochter mit immerhin etwa 50 Gästen, sitzen abends mit ihm und seinen Kumpels bei Bier und Caipirinhas zusammen (mit jedem weiteren Glas verstehen wir die Sprache etwas besser…).
Das Gesprächsthema Nummer eins mit uns ist das für Brasilien 1:7 verlorengegangene Weltmeisterschaftsspiel gegen Deutschland von 2014. Dieser Stachel sitzt nach 10 Jahren immer noch tief im Fleisch der Brasileiros. Das Trauma will einfach nicht verheilen.
Der Fußballgott meint es heute auch nicht gut mit den Brasilianern…wir schauen das Achtelfinale der Europameisterschaft Deutschland-Dänemark im großen Rund an der Bar. Da verwundert es nicht, dass die vor dem Fernseher versammelte Truppe die Daumen für Dänemark drückt. Hat nicht sollen sein. Deutschland gewinnt :-).

Am letzten gemeinsamen Abend bekommen wir Einblick in Cesars Grillkünste. Er zaubert ein wunderbar saftiges Picanha, das fast zwei Stunden über der Glut zu Perfektion gart. Dazu gibt es ganz brasilianisch-klassisch gekochten Maniok…die hiesige Kartoffel-Alternative.
Eine andere Spezialität durften wir ebenfalls probieren. An dem Geburtstag seiner Tochter gab es aus einem riesigen Kessel das brasilianische Nationalgericht schlechthin: Feijoada. Ein über mehrere Tage zubereiteter Schmortopf aus allerlei Zutaten, wie z.B. Räucherwürsten, Schweinsohren und Schweinsfüßen, Trockenfleisch (Charque/Jerky), schwarzen Bohnen und eine ganze Menge Zwiebel und Knoblauch neben vielerlei Gewürzen. Ferner Reis und ganz typisch Couve Mineira (gedünsteter, fein geschnittener Blattkohl). Ursprünglich ein Arme-Leute-Essen der Sklaven, heute eine Delikatesse, die v.a. bei größeren Familienfesten gereicht wird.

Und weiter geht es mit Essen. Beim Stadtbummel haben wir uns von der Pantanal-Spezialität #1 verführen lassen. Frittierter Kaiman (jacaré a dorê). Sozusagen Caiman&Chips á la Fish&Chips. Große, im Bierteig ausgebackene, innen immer noch saftige Filets vom Kaiman dazu knusprige Pommes. Schmeckt wirklich richtig gut. Der oftmals herangezogene Geschmacksvergleich mit Hühnchen trifft es ziemlich gut.
So gestärkt erledigen wir unsere Wäsche in einem Kreditkartenwaschsalon (früher hat man Münzwaschsalon gesagt…die Moderne findet auch in dieser Branche Einzug) und Christian…ihr erratet es schon…geht mal wieder zum Friseur. Dem Barbier bleibt nichts anderes übrig, als einfach drauf loszuschneiden; die Verständigung will nicht so recht klappen (não espanhol, não ingles). Das Ergebnis ist aber trotzdem ganz ansehnlich und vorzeigbar.

Aber wir sind nicht (nur) wegen des Essens den langen Weg nach Bonito gekommen. Früh am Morgen werden wir abgeholt. Es geht zur Gruta Azul (Monumento Natural da Gruta do Lago Azul).
Kleiner Einschub: alle Sehenswürdigkeiten rund um Bonito sind kleine Naturschutzgebietinseln und nur mit Vorausbuchung im Rahmen von Führungen besuchbar. Hat ja Cesar alles für uns erledigt.

Mit einer kleinen Gruppe steigen wir über 80 Meter steil hinab in ein tiefes Sinkloch, an dessen Grund eine etwa 50 Meter lange, glasklare, spiegelglatte, bläulich schimmernde Lagune auf uns wartet. Sonnenlicht fällt durch die fast kreisrunde Öffnung an der Oberfläche und beleuchtet die Höhle. Leider spricht der Führer nur portugiesisch und wir versuchen anhand von Gesten und unserem bisschen Spanisch seinen langen und wahrscheinlich informativen Ausführungen zu folgen. Ist etwas schade, denn reichlich internationale Besucher gibt es ja.

Das setzt sich anderntags am Río Sucuri fort. Alle Erklärungen auf Portugiesisch. Macht diesmal aber gar nichts. Denn der Ausflug ist wirklich eine Augenweide…man braucht die Ohren nicht. Wir gehen „Schnorcheln“ (oder auch „Floating“ genannt – flutuãçao). Ausgerüstet mit Neoprenanzügen, Schwimmwesten, Taucherbrillen und eben Schnorchel werden wir in einem kleinen Boot mit Elektroantrieb einige Kilometer den schmalen Fluss hinauf befördert, bevor wir uns ins Wasser gleiten lassen. Die Informationen unseres Bootsführers über die vielfältige Über- und Unterwasserwelt gehen mehrheitlich an uns vorbei. Soweit wir verstehen, leitet sich der Name des Flusses von einem rituellen Tanz der Flussindianer ab, dem Sucuriú. Bei der Imitation der Anakonda-Schlange in ihren Kurven beim Kriechen und in der Art, wie sie ihre Beute quetscht, wollten sie wohl magische Kräfte erlangen.

Das wichtigste aber: der Río Sucuri zählt als eines der klarsten Fließgewässer der Welt. Man kann unter Wasser bis zum Horizont schauen. Kaum ein Sedimentpartikelchen trübt die Sicht. Wie kleine Holzstücke treiben wir auf der Wasseroberfläche in der leichten Strömung flussabwärts den Blick hinab auf den Flussgrund gerichtet. Immer wieder kommen große und kleine Fische, zuweilen ganze Schulen, bis auf wenige Zentimeter ganz nah an uns heran. Die Unterwasserflora ist mindestens ebenso üppig, bunt und vielfältig wie auf dem Land. Wie schön, dass heute die Sonne aus einem wolkenlosen Himmel strahlt. So ist es auch hier unten lichtdurchflutet und hell erleuchtet. Selbst die Fische – und natürlich auch wir – werfen Schatten auf den Grund. Was für eine tolle Erfahrung!

Nur leider ist der Endpunkt viel zu schnell erreicht. Nach etwa 1.5 Stunden steigen wir freudestrahlend aus dem 20 Grad warmen (kalten) Aquarium. Christian braucht etwas länger, um wieder auf Betriebstemperatur zu kommen. Auf dem kurzen Weg von der Bar zum Pool auf dem Gelände des Veranstalters zittern seine Hände so sehr (vor Begeisterung oder Kälte oder beidem?), dass bei Ankunft nur noch etwa die Hälfte des heißen Tees in dem Becher übrig ist. Aber schon während der Rückfahrt zum Campingplatz schwitzen wir wieder. Gut nur, dass es nachts von den 34° Celsius auf etwa 19° abkühlt. Da lässt es sich bei geöffneten Fenstern entspannt schlafen.

Nach fünf Tagen geht auch dieses Abenteuer zu Ende. Wir werden nach vielen Drückern und einem letzten Foto-Shooting vor unserem Auto von Cesar und seiner Frau Lisandra (die Töchter sind schon in der Schule) fröhlich verabschiedet.
Für uns geht es wieder etwas nach Norden. Nach 150km Fahrt beginnt hinter Aquidauana die bei Overlandern als Ameisenbärenstraße bekannte Ruta 419 hinauf nach Río Verde de Mato Grosso. Obschon Weideland großer Faziendas lebt hier noch eine große Zahl wilder Tiere. Ameisenbären, Tapire, Wasserschweine (Capibaras), exotische Vögel und auch Affen werden regelmäßig in den frühen Morgenstunden und in den Abendstunden kurz vor Sonnenuntergang links und rechts der roten Sandstraße gesichtet. Das wollen wir uns natürlich nicht entgehen lassen.

1 Kommentar zu „Pantanal und Bonito“

  1. Hans und Elisabeth

    Plötzlich eine ganz andere Welt. Nach vielen tollen Bildern von Felswänden, Steinen, Sand und Salz in herrlichen Farben jetzt grün mit einer sehr bunten (und gefährlichen?) Tierwelt. Auf alle Fälle wieder viele schöne Bilder und – wie eueren Schilderungen zu entnehmen ist – sicher interessante und spannende Erlebnisse. Schön, dass ihr auf euerer Tour auch noch die Tropen besuchen konntet.
    Jetzt sind wir auf die Wasserfälle gespannt.
    Elisabeth und Hans

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